GELD-Magazin, Juli/August 2021

ESG in der Krise? Der Markt für Anlageprodukte, die Umwelt-, Sozialkriterien und eine nachhaltige Unternehmensführung (ESG) bei der Auswahl der Titel, in die sie investieren, berücksichtigen, boomt derzeit überall auf der Welt. Gleichzeitig sind sich Anbieter und Investoren nicht darüber einig, was diese Kriterien genau ausmacht und in welchem Umfang sie berücksichtigt werden sollten. Viele Anleger und Produktanbieter hatten gehofft, dass die EU-Taxonomie ihnen eine klare De- finition für nachhaltige Anlagen liefern wird. Dies ist aber nicht der Fall und so haben Fondsanbieter immer noch die Möglichkeit, die Anleger mit ge- schickten Formulierungen in ihren Fondsunterlagen, dem sogenannten „Greenwashing“, hinsichtlich der nachhaltigen Ausrichtung der Fonds zu täuschen. Greenwashing Auch die Einordnung der Fonds nach Artikel 6, 8 und 9 der Sustainable Finance Disclosure Regulati- on (SFDR) schafft hier nur bedingt Abhilfe, da auch die hier verwendeten Beschreibungen eher vage sind. Dies zeigt sich auch darin, dass noch längst nicht alle Anbieter ihre Fonds den entsprechenden Artikeln zugeordnet haben. Um möglichen Sankti- onen durch die Marktaufseher zu entgehen, haben viele Anbieter aufgrund der fehlenden Definitionen und Vorgaben ihre Fonds in einem ersten Schritt pauschal dem Artikel 6 zugeordnet, obwohl sie bei der Titelauswahl ESG-Kriterien berücksichtigen. Ebenso haben einige Anbieter die Einordnung ihrer Fonds in den letzten Monaten verändert, obwohl sich die Zuordnungskriterien nicht verändert haben. Auch wenn die SFDR ein guter Ansatz ist, um Green- washing zu reduzieren, wird es sich durch die der- zeitigen Vorschriften nicht ganz vermeiden lassen. Dies wurde auch von lokalen Regulatoren, wie zum Beispiel der deutschen BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) entdeckt. Als Folge arbeiten diese Regulatoren an lokalen Verschärfun- gen der Offenlegungspflichten, was aber die Verun- sicherung der Anbieter und Anleger in Bezug auf die Einordnung der Produkte noch vergrößert. Zudem könnten lokale Alleingänge zu einem Standortnach- teil führen, denn diese Regulierungen betreffen nur Produkte, die in dem jeweiligen Land aufgelegt wur- den und nicht alle Fonds, die in dem entsprechen- den Land zum Vertrieb zugelassen sind. Eindeutige Definitionen fehlen Somit steckt zwar nicht die Fondsindustrie in einer Krise, aber die Begrifflichkeiten rund um das nach- haltige Investieren, was zu einer Verunsicherung der Investoren und Produktanbieter führt. Hier sind der Gesetzgeber und die europäische Marktaufsicht ge- fordert, um endlich eindeutige Definitionen und Vorschriften für nachhaltige Investmentprodukte in Europa zu schaffen. Dies würde nicht nur der Verun- sicherung aufseiten der Investoren entgegenwirken, sondern gleichzeitig auch eine verlässliche Grundla- ge für die Produktanbieter schaffen. Da solche Pro- zesse in der EU aber in der Regel sehr lange dauern und von Lobbygruppen verwässert werden, wird eine umfassende Verbesserung der Regulierung wohl noch länger auf sich warten lassen. www.lipperleaders.com Detlef Glow, Head of Lipper Research EMEA Juli/August 2021 – GELD-MAGAZIN . 17 GASTBEITRAG . Detlef Glow, Lipper Research Für den Inhalt der Kolumne ist allein der Verfasser verantwortlich. Der Inhalt gibt ausschließlich die Meinung des Autors wieder, nicht die von Refinitv. FOTO: Archiv Jetzt reinklicken und mehr erfahren! www.geld-magazin.at

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