GELD-Magazin, Juni 2021
Fallbeispiel 1 Ein Haus und eine vermietete Wohnung im Nachlass, die Frau und drei Kinder erben, ein Testa- ment fehlt. Der Erblasser hinterlässt seiner Frau und drei mittlerweile von zu Hause ausgezogenen erwachsenen Kindern das gemeinsame Haus, eine vermiete te Wohnung sowie Geldvermögen in Höhe von 100.000 Euro. „In diesem Fall gebührt der Witwe nach der gesetz lichen Erbfolge ein Drittel Anteil und den Kindern jeweils zwei Neuntel An teile. Während der Hausanteil und das Geldvermögen grundsätzlich auch zu diesen Quoten übernommen werden könnten, müssten sich die Erben für die vermietete Wohnung auf eine ande re Lösung einigen“, erklärt Notar Gert Kössler und zeigt mögliche Lösungs ansätze: „Die Kinder könnten einver standen sein, dass die Wohnung von der Witwe übernommen wird und die Verteilung dieses Vermögenswertes würde dadurch verschoben. Die Woh nung könnte auch verkauft werden. Der Erlös wäre dann leicht teilbar.“ Achtung: Der Witwe steht neben der gesetzlichen Erbquote im Übrigen auch noch der sogenannte „Ehegatten voraus“ zu. Dieser beinhaltet vor allem auch ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht an der letzten gemeinsa men Wohnstätte. wollen eigentlich alle aus der Stiftung raus, weil sie keine steuerlichen Vorteile mehr bie- tet. Stiftungen machen nur mehr dort Sinn, wo größere Vermögen, also mehrere Millio- nen, nicht auf einmal an die Erben ausge- zahlt, sondern auf einen längeren Zeitraum verteilt werden sollen. Oder auch, wenn ein Familienunternehmen, allenfalls auch ein oder mehrere Zinshäuser, nicht auf mehrere Erben aufgeteilt, sondern zusammengehal- ten werden sollen.“ Immobilien richtig vererben Doch wie vererbt Otto Normalverbraucher seine ein bis zwei Wohnungen oder sein Ei- genheim? Grundsätzlich gilt das Gleiche wie beim Vererben anderer Vermögenswerte. Dazu Gert Kössler, Öffentlicher Notar in Innsbruck: „Das Vermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die nach der gesetzlichen Erbfolge ermittelten oder testa- mentarisch benannten Erben über oder es kann über ein Vermächtnis abweichend von der allgemeinen Erbfolge einer bestimmten Person, dem Vermächtnisnehmer, zugewen- det werden.“ Ohne Testament müssen die Erben versuchen, eine Einigung herbeizu- führen. Nicht jeder Erbe kann Immobilien nutzen, sodass der Erbteil der anderen aus- bezahlt werden muss. „Voraussetzung einer Einigung ist daher üblicherweise eine Schät- zung des Verkehrswertes. Wenn ohnedies aber die Veräußerung der Immobilie(n) be- absichtigt ist, tritt anstelle des Schätzwerts natürlich der Kaufpreis, der in die Verlassen- schaft fließt und verteilt wird. Sollte die Ver- lassenschaft selbst Immobilien veräußern, ist hierfür eine gerichtliche Genehmigung erforderlich, für die Gerichte oft zumindest eine vereinfachte Bewertung verlangen“, er- klärt Manhart. Im Falle eines Testaments hat der Erblasser mehrere Möglichkeiten, die Manhart wie folgt skizziert: „Er kann bestimmte Personen als Erben einsetzen, wobei die Erbeneinset- zung nach einer bestimmten Quote erfolgt. Im Wege eines Vermächtnisses kann er be- stimmten Personen bestimmte Vermögens- werte zuwenden. Gesetzliche Erben können letztwillig auf den Pflichtteil gesetzt wer- den. Unter Umständen kann der Pflichtteil sogar halbiert oder zur Gänze entzogen wer- den“, so Manhart. Der Erblasser kann frei entscheiden, wie der Pflichtteil hinterlassen wird. „Es ist sogar denkbar, dass der Erblas- ser unliebsame Erben durch Hinterlassung eines Vermögens, das diese nicht brauchen können, noch letztmalig ärgert; der Erbe bzw. Pflichtteilsberechtige kann die Zuwen- dung nur annehmen oder verzichten. So wäre es etwa hinterhältig, dem Abstinenzler den Weinkeller zu hinterlassen“, zeigt Man- hart die Möglichkeiten. Auch kann ein Testament Auflagen und Be- dingungen enthalten wie: „Meine Woh- „Es ist sogar denkbar, dass der Erblasser unliebsame Erben durch Hinterlassung eines Vermögens, das diese nicht brauchen können, noch letztmalig ärgert.“ Rupert Manhart, Partner bei Manhart Einsle Partner Rechtsanwälte Juni 2021 – GELD-MAGAZIN . 73
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