GELD-Magazin, Juni 2021
D er Megatrend zu mehr Nachhaltig- keit krempelt unsere gesamte Wirtschaft sowie Anlageland- schaft um und bewegt dabei enorme Sum- men: Schätzungsweise 30 Billionen Dollar an verwalteten Vermögenswerten berück- sichtigen heute in irgendeiner Form ESG- Faktoren. (Environmental, Social, Gover- nance – zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.) Zu schnellesWachstum? Das entspricht einem Anstieg von knapp 35 Prozent in den letzten fünf Jahren. Es drängt sich hierbei zumindest aus finanz- technischer Sicht die Frage auf, ob dieses „zarte Pflänzchen“ nicht etwas zu schnell in die Höhe geschossen ist. Denn das Univer- sum ist zwar sehr groß aber natürlich nicht unbegrenzt. Wenn nun immer mehr Anle- ger auf diesen Zug aufspringen, erscheint es nur logisch, dass interessanten „grünen“ In- vestmentchancen eine „Überbevölkerung“ droht und die Preise rasant in die Höhe schießen. Ungeachtet des eigentlichen Fun- damentalwertes. Dann wäre es auch mit dem Mantra vorbei, dass ESG-Titel die Di- versifikation des Gesamtportfolios erhöhen und für ein besseres Risikoprofil sorgen. Liefern nachhaltige Investments, abgesehen natürlich von ihren unbestritten positiven Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, so- mit nur einen „gefühlten Wert“ bzw. ein gutes Anlegergewissen? Franklin Templeton hat dazu eine interessante Studie, wie ESG- Faktoren das Gesamtrisiko-/Rendite-Ver- hältnis verbessern können, veröffentlicht. Das Positive vorweg: Die Analyse stützt die These, dass durch die Berücksichtigung der wichtigsten ESG-Faktoren die Gesamtergeb- nisse des Portfolios potenziell verbessert werden können. Nämlich indem man das Risiko reduziert. Allerdings, so die Analyse: Der Teufel schlummert im Detail und nicht jede ESG-Maßnahme vermindert das Risiko im selben Maße. Ein Großteil der Heraus- forderung ergibt sich dabei aus der man- gelnden Standardisierung in Bezug auf die Definition von ESG und den Ansatz zu de- ren Messung. So können sogar die Bewer- tungen von spezialisierten ESG-Ratingagen- turen massiv auseinanderklaffen, wie bei- spielhaft in der Grafik auf der rechten Seite dargestellt wird. Anders ausgedrückt: Was ESG ist, und was nicht, darüber kann treff- lich gestritten werden. Hinzu führt der „grüne“ Modetrend zu Unübersichtlichkeit und Verwirrung. In diesem Zusammenhang ist eine Studie von Morningstar interessant: 31 Asset Manager wurden auf die Anwen- dung von Nachhaltigkeits-Kriterien geprüft, aber nur sechs davon sind mit einen der bei- den höchsten ESG-Einstufungen von Mor- ningstar ausgezeichnet worden. ESG:Vorteile überwiegen Zu schlechter Letzt mehren sich auch Stim- men, die davon ausgehen, dass die an- schwellenden Kapitalflüsse in nachhaltige Investments auch das Risiko von Preisbla- sen steigen lassen. Davor warnt etwa Guil- laume Mascotto, Nachhaltigkeitschef von American Century (siehe Bericht ganz rechts). Allerdings sollte man sich nicht zu sehr verunsichern lassen: ESG ist alles an- dere als ein schnellläufiger Trend und bie- tet, richtig eingesetzt, nicht zuletzt Anle- gern Vorteile. Alexander Osojnik, Senior ESG Research Analyst, Erste AM, erklärte im Gespräch mit dem GELD-Magazin: „Na- türlich haben wir alle schon sehr viele Stu- dien zum Thema ESG gelesen. Man muss MÄRKTE & FONDS . Nachhaltigkeit Es wird enger Droht bei Nachhaltigen Investments eine Preisblase? Kritiker warnen davor, dass immer mehr Anleger in ein begrenztes Universum drängen. Andere meinen: Es sei noch genügend „Luft nach oben“ vorhanden. HARALD KOLERUS Credits: beigestellt „Wir sehen das Risiko, dass ESG- Investments völlig überlaufen und deswegen zu hoch bewertet werden.“ Guillaume Mascotto, Nachhaltigkeitschef von American Century „Es fehlt noch immer eine allgemein gültige Definition von Nachhaltigkeit.“ Alexander Osojnik, Senior ESG-Research Analyst, Erste Asset Management 42 . GELD-MAGAZIN – Juni 2021
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