GELD-Magazin, Juni 2021

Wertorientiertes Investieren – Der Klassiker unter den Anlagestrategien Beim sogenannten Value Investing handelt es sich um einen der ältesten systematischen Investmentansätze überhaupt, mit dem Investoren versuchen, Aktien günstig zu kaufen und später teuer zu verkaufen. Anders formuliert kann man sagen, dass der Value- Ansatz genau dem entspricht, was man als rationales Handeln bezeichnet. Doch was sich in der Theorie einfach anhört, ist in der Praxis nicht ganz so leicht umzusetzen. Wie funktioniert Value Investing? Im Detail zeichnet sich der wertorientierte Invest- mentansatz dadurch aus, dass der Portfoliomanager versucht in Aktien zu investieren, die aus seiner Sicht günstig bewertet sind – also der Aktienkurs unter dem festgestellten Wert des Unternehmens liegt. Zur Bewertung der Unternehmen werden dabei klassi- scherweise Kennzahlen wie z.B. das Kurs/Gewinn- Verhältnis, das Preis/Buchwert-Verhältnis, die Mar- genentwicklung oder die Dividendenrendite verwen- det. Welche der unterschiedlichen Kennzahlen bei der Aktienauswahl wie genutzt werden, ist von Fonds zu Fonds unterschiedlich und liegt im Ent- scheidungsbereich des jeweiligen Fondsmanagers. In einem weiteren Schritt wird mittels einer qualita- tiven Analyse abgeklärt, warum sich die jeweiligen Kennzahlen so darstellen wie sie sind, sowie deren zukünftige Entwicklung abgeschätzt. Ebenso versu- chen viele Fondsmanager die Qualität der Unterneh- mensführung zu bewerten, um so die Unternehmen herauszufiltern, bei denen die Unternehmenslenker im Sinne der Aktionäre handeln. Bei der modernen Auslegung des Value Ansatzes wird zusätzlich das erwartete zukünftige Wachstum des Unternehmens mitbewertet. Allerdings kann die Schätzung des zukünftige Unternehmenswachstums auch eine zusätzliche Fehlerquelle bei der Beurtei- lung eines Unternehmens sein. Da sich jede Kennzahl je nach Orientierung bezie- hungsweise Strategie des Investors unterschiedlich auslegen lässt, gibt es heutzutage eine große Anzahl von Investmentfonds, die sich als Value-Fonds be- zeichnen, aber aufgrund ihrer Ausrichtung nur be- dingt der ursprünglichen Theorie folgen. Anlageerfolg auch von der Marktphase abhängig Auch wenn dieser Ansatz logisch erscheint, kann mit einem wertorientierten Investmentansatz nicht in je- der Marktphase ein Mehrertrag erzielt werden. Es gibt durchaus lange Phasen, in denen die Bewer- tungen der Unternehmen an den Börsen keine oder nur eine geringe Rolle spielen, da in einzelnen Pha- sen zum Beispiel eher auf das Wachstum der Unter- nehmen geachtet wird. Dementsprechend zeigt der Value-Ansatz bei starken Anstiegen des Gesamt- marktes oftmals eine unterdurchschnittliche Wert- entwicklung. Aber auch in Phasen mit stark fal- lenden Kursen, kann das wertorientierte Investieren Schwächen zeigen. Viele Value-Titel stammen aus reifen Branchen und haben daher eine hohe Markt- kapitalisierung mit entsprechend hoher Liquidität an den Börsen. Dies führt dazu, dass Anleger die hohe Liquidität dieser Titel in Abschwungphasen nutzen, um ihre Aktienquote schnell zu senken. Wie viele Studien aber zeigen, ist der Value-Ansatz, trotz der Schwächen in einigen Marktphasen, aufgrund der eingesetzten fundamentalen Bewertungskriterien und der umfassenden Analyse der Aktien, für den langfristig orientierten Investor ein durchaus erfolgs- versprechender Investmentansatz. Value Investing mit ETFs Da die Bewertungen der Unternehmen von den Bilanzkennzahlen abgeleitet werden, lässt sich dieser Schritt der Titelauswahl formalisieren und automati- sieren. Dies haben viele Indexanbieter genutzt, um entsprechende Value-Indizes zu berechnen, die von den ETF Anbietern im Rahmen von sogenannten „Smart-Beta-ETFs“ genutzt werden. Allerdings gibt es bei den meisten dieser Indizes keine qualitative Ana- lyse, was dazu führen kann, dass sich auch Aktien in den Portfolien befinden, deren Bewertungen zwar technisch den Grundsätzen des Value Investings ent- sprechen, deren Geschäftsmodell oder Geschäftsaus- sichten aber einer qualitativen Überprüfung durch einen Fondsmanager nicht standhalten würden. www.lipperleaders.com Detlef Glow, Head of Lipper Research EMEA Juni 2021 – GELD-MAGAZIN . 41 GASTBEITRAG . Detlef Glow, Lipper Research Für den Inhalt der Kolumne ist allein der Verfasser verantwortlich. Der Inhalt gibt ausschließlich die Meinung des Autors wieder, nicht die von Refintiv. FOTO: Archiv

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