GELD-Magazin, Juni 2021
Ganz offensichtlich greifen die staatlichen Hilfsmaßnahmen im Rahmen der Corona-Pande- mie. In Österreich sind 2020 signifikant weniger Privatkonkurse festzustellen als im Jahr vor Ausbruch der Covid-Krise. In Zukunft ist mit einem gewissen „Nachholeffekt“ zu rechnen. Dagmar Koch, Country Managerin Coface Österreich: „Aktuell ist in Österreich kein verändertes Zahlungsverhalten zu beobachten. Dies steht sicherlich auch im Zusammenhang mit den massiven staatlichen Stützungs- maßnahmen. Sobald diese auslaufen oder zurückgefahren werden, ist durchaus zu er- warten, dass jene Unternehmen, die bereits vor der Pandemie zu kämpfen hatten, stär- ker unter Druck geraten. Mit einer Insol- venz-Welle im Sinne eines Insolvenz-Tsuna- mis rechnen wir jedoch derzeit definitiv nicht, sondern eher mit einer gesunden Marktbereinigung.“ Eine Sintflut an Pleiten wird also höchstwahrscheinlich nicht ur- plötzlich über uns hereinbrechen. Dennoch gilt es, wachsam zu sein und die nötigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Hier gibt es noch einiges zu tun bzw. zu verbessern. Wichtige Differenzierung Kritik übt der KSV1870 bereits seit Län- gerem daran, dass Unternehmen aufgrund von Überschuldung bis Ende Juni keine In- solvenz anmelden müssen (wobei man hört, dass eine Verlängerung diskutiert wird): „Die Aussetzung der Insolvenzantrags- pflicht erfolgt pauschal, stattdessen sollte man gezielt vorgehen, und jenen Unterneh- men helfen, denen zu helfen ist. Ansonsten werden die Probleme nur nach hinten ver- schoben“, so Vybiral. Der Experte meint weiter: „Die Wirtschaftspolitik sollte raus aus der Kurz- und rein in die Langfristigkeit gehen. Investieren sollte man in die zwei großen Themen Digitalisierung und De- Privatkonkurse deutlich gesunken Quelle: asb Abfragestichtag: 23. Februar 2021 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 9.450 9.940 9.750 9.006 8.253 8.699 7.899 6.896 10.060 9.495 7.296 Karbonisierung, hier liegt viel Potenzial, vor allem für junge Unternehmen.“ Schwer abschätzbar Wie viele Pleiten jetzt tatsächlich auf uns zurollen, lässt sich nicht seriös prognostizie- ren. Schätzungen gehen davon aus, dass be- reits vor Corona an die 27.000 „Zombie-Un- ternehmen“ in Österreich herumgeisterten. Im Vorjahr wurden 3000 Firmen-Insol- venzen gemeldet, um knapp 40 Prozent we- niger als 2019. Hier ist ein „Nachholeffekt“ nur logisch. Experten nennen heute die Zahl von 10.000 bis 25.000 Insolvenz-ge- fährdeten Unternehmen, auch hört man we- gen Corona von mittlerweile bis zu 50.000 „Zombie-Firmen“. Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer ÖVC, kommentiert: „Klar ist, dass die Insolvenz-Zahlen steigen und wieder auf Vor-Krisenniveau kommen wer- den. Die Politik muss hier die Weichen stel- len: Was Österreich schon lang braucht, sind große Strukturreformen, etwa was den Föderalismus betrifft. Der Staat muss schlanker und effizienter werden, Bildung muss außerdem als Zukunftsinvestition for- ciert werden.“ Zum Abschluss soll noch eine probate Möglichkeit für Unternehmen ge- nannt werden. Dazu Dagmar Koch, Leiterin von Coface Österreich: „Mit einer Kreditver- sicherung können Forderungsausfälle im In- und Ausland erfolgreich abgesichert werden. Unsere Kunden erhalten außerdem eine Kontrollmöglichkeit der Risiken sowie die Bewertung von Märkten und eine Absi- cherung für die Expansion und Unterstüt- zung bei offenen Forderungen. Es gibt aller- dings im Bereich der Risikoabsicherung kein One Size Fits All. Jedes Unternehmen, jede Branche ist anders. Daher braucht es maßgeschneiderte Lösungen.“ Juni 2021 – GELD-MAGAZIN . 23
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