GELD-Magazin, Mai 2021

Abschied vom Spitzenfeld? gehen davon aus, dass wir bis 2023 brau- chen werden, um auf Vorkrisenniveau zu kommen. Damit liegt Österreich im hin- teren EU-Drittel. Am Arbeitsmarkt wird es sogar noch länger dauern. Damit wären dann die nächsten Probleme, die das mittel- fristige Wachstum betreffen, vorprogram- miert. Wo liegen die größten Schwierigkeiten für die heimische Wirtschaft? Die Pandemie hat die Probleme im Land nicht gelöst, sondern lediglich in den Hin- tergrund gedrängt. Zwar wurden mittler- weile Pläne beim Wiederaufbaufonds der EU eingereicht, wo es auch um Investiti- onen in Forschung, den Ausbau der Digitali- sierung oder die Bekämpfung des Klima- wandels geht. Aber hier fehlen noch die De- tails. Andere Themen wurden bisher gar nicht adressiert und befinden sich auch nicht im türkis-grünen Regierungspro- gramm. Probleme am Arbeitsmarkt beste- hen nicht erst seit Corona. Der einstige Mu- sterschüler Österreich hat sich in Sachen Arbeitslosigkeit schon lange vom Spitzen- feld verabschiedet. Schon vor der Krise gab es rund 100.000 Arbeitslose mehr als noch vor der Finanzkrise. Auch die Langzeitar- beitslosigkeit ist seither angestiegen. Wie könnte man gegensteuern? Die Herausforderung ist groß, weil es sich um ein strukturelles Mismatch handelt. Das bedeutet, dass vielen Arbeitslosen die am Arbeitsmarkt gesuchten Qualifikationen fehlen. Hier braucht es zielorientierte Um- schulungen. Auch ist weit und breit von kei- ner Lösung oder auch nur von Ansätzen zu sehen, wie wir es schaffen, in unseren Sozi- alsystemen den demografischen Wandel D as Modell der Kurzarbeit habe sich als erfolgreich erweisen, um Menschen in Beschäftigung zu halten, die langfristigen Probleme könne das aber nicht lösen, so Hanno Lorenz. Der Experte bei Agenda Austria spricht sich ge- gen die Abhängigkeit von staatlichem Kapi- tal aus und schlägt vor, der Jobmisere mit passenden Qualifikationsmaßnahmen und einem degressiven Arbeitslosengeld entge- genzuwirken. Auch ansonsten mangelt es Lorenz nicht an Vorschlägen, um die hei- mische Wirtschaft wieder wettbewerbsfä- higer zu machen. So seien die Lohnkosten zu hoch und das Pensionsantrittsalter wie- derum zu niedrig. Der Ökonom meint wei- ters: „Neben Reformen im Pensionssystem, wäre es sinnvoll, Kosten in der Verwaltung durch weniger Bürokratie und verstärkte Digitalisierung zu senken.“ Viele Experten gehen von einer starken Erholung nach der Überwindung der Pandemie aus, wie sehen Sie das? Gerade nach der Corona-Pandemie kann mit einem starken Aufholprozess gerechnet werden, da die Ursachen der Krise auf ex- terne Gesundheitsfaktoren und nicht auf Fehler im Wirtschaftssystem zurückzufüh- ren sind. Einen Teil davon konnten wir auch im Sommer 2020 bereits sehen. Das Pro- blem ist, dass das wiederholte Runterfahren der Wirtschaft die gesunden Strukturen an- greift und den Aufschwung dauerhaft schä- digt. Es wird also ganz entscheidend davon abhängen, ob es uns nach den Lock Downs gelingt, die Infektionen zu kontrollieren. Ist das der Fall, dann ist ein dynamisches Wachstum möglich. Passiert das nicht, dann wird es auch dieses Jahr nicht viel Wachstum geben. Gegenwärtige Prognosen Österreich ist im Bereich der Arbeitslosigkeit kein Musterschüler mehr. Hier könne mit besserer Qualifikation und einem degressiven Modell gegengesteuert werden, so Hanno Lorenz. HARALD KOLERUS Credit: beigestellt/Markus Roessle ZUR PERSON Hanno Lorenz ist Stel lver tretender Direktor und wissenschaftlicher Mitar- beiter beim wirtschaftsliberalen Think- Tank Agenda Austria. Lorenz studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien. Seit 2013 forscht er für die Agenda Austria vor allem in den Bereichen Außen- handel, Armut und Verteilung, Bildung sowie Digitalisierung. 8 . GELD-MAGAZIN – Mai 2021 INTERVIEW . Hanno Lorenz, Agenda Austria „Das Problem der Treibhausgasemissionen ist, dass am Markt für sie kein Preis gefunden wird.“

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