GELD-Magazin, Mai 2021
D ie Immobilienpreisdebatte wird in Österreich sehr emotional geführt. Sozialer Wohnbau und Altbauten mit Richtwertmieten stehen neuen Woh- nungsprojekten mit Kaufpreisen von über 6000 Euro pro m 2 in Wien-Donaustadt oder gar über 9000 Euro in Innsbruck gegenüber. Das Wort „Immobilienblase“ nimmt im Sprachgebrauch zu. Doch der Zinsfaktor re- lativiert: Bis zur Finanzkrise 2008 hielt sich der Wohnungspreisanstieg in engen Gren- zen. Erst mit den Zinssenkungen durch die Notenbanken kam Bewegung ins Spiel, da vermietete Immobilien auch zu einem ge- wissen Teil als „Zinsinstrumente“ in Kon- kurrenz mit Anleihen betrachtet werden können. Nimmt man einen Jahresschnitt des Dreimonats-Euribor so war dieser von 4,51 Prozent im Jahr 2008 auf 1,15 Prozent im Jahr 2009 rückläufig, ehe er bis 2020 auf -0,44 Prozent regelrecht einbrach. Angenommen, unselbstständig Beschäftigte können ein Viertel des Nettoeinkommens in die Rückzahlung eines Immobilienkredits investieren: Dann stieg das maximal leist- bare Kreditvolumen von 2008 bis 2019 bei einem Aufschlag von 1,5 Prozentpunkte auf den Euribor von 62.700 auf 130.300 Euro. Setzt man die Entwicklung dieses „leist- baren Kreditvolumens“ in Relation zur Preisentwicklung an den Immobilienmärk- ten, dann stieg die Leistbarkeit von Woh- nimmobilien bundesweit seit dem Jahr 2000 um gut acht Prozent – außerhalb Wi- ens um ca. 15 Prozent, in Wien ging sie um rund sieben Prozent zurück. Nimmt man aber das Jahr 2009 als Ausgangspunkt, so brach in Österreich die Leistbarkeit um 22,6 Prozent ein, bei gebrauchten Wohnungen in Wien sogar um 28 Prozent (Preisanstieg 2009 bis 2020: 6,5 Prozent p.a., lt. Wohn- immobilienpreisindex der OeNB). Anhaltende Nachfrage trotz Corona Im Jahr 2020 stiegen laut diesem Index die Preise für Wohnimmobilien bundesweit um sieben Prozent. Im ersten Quartal 2021 ver- lagerte sich der Boom mehr in die „Provin- zen“, wo Wohnimmobilien auf Jahresbasis um 14 Prozent (in Wien um 10,9 %) teurer wurden. Für neue Wohnungen musste sogar um 16,7 Prozent mehr bezahlt werden! IMMOBILIEN . Preistrend Sind Wohnungen noch leistbar? Niedrige Zinsen und eine anhaltende Nachfrage nach Wohneigentum sowie Anlageimmobilien treiben die Wohnungspreise weiter nach oben. GELD-Magazin befragte Experten bezüglich aktueller Markttrends. MICHAEL KORDOVSKY WOHNUNGSPREISE 2020 IN ÖSTERREICH UND DEN BUNDESLÄNDERN Ø WOHNUNGSPREIS 2020 ÄND. ZU 2019 Ø m 2 -PREIS 2020 ÄND. ZU 2019 Österreich 220.930,- € +4,3% 3.479,- € +4,8% Wien 247.253,- € +0,4 % 4.186,- € +2,4 % Burgenland 121.330,- € +10,9% 2.341,- € +20,9% Kärnten 170.760,- € +3,1 % 2.803,- € +4,6 % Niederösterreich 176.782,- € +3,9% 2.981,- € +5,8% Oberösterreich 201.620,- € +6,7 % 2.981,- € +8,2 % Salzburg 262.040,- € +3,5% 4.026,- € +1,3% Steiermark 159.513,- € +6,0 % 2.525,- € +3,1 % Tirol 278.838,- € +9,4% 4.014,- € +9,8% Vorarlberg 310.720,- € +5,1 % 4.436,- € +12,7 % Verbücherungen nach dem Amtlichen Grundbuch 1.1. - 31.12.2020 Kaufakte, Quelle: RE/MAX-ImmoSpiegel / IMMOunited GmbH Sonderfaktoren amWiener Wohnungsmarkt Den Wiener Wohnungsmarkt skiz- ziert Bauernfeind: „Wien erlebt in den Jahren 2020 und 2021 mit ca. 19.000 Wohnungen einen absoluten Boom in der Neubauproduktion der Woh- nungen. Allerdings kommen ca. zwei Drittel dieser Wohnungen als Miet- wohnungen auf den Markt, weil die Projekte vorab bereits an Investoren verkauft wurden, während nur etwa ein Drittel dieser Wohnungen als Ei- gentumswohnungen verkauf t wer- den. Durch dieses große Angebot an Mietwohnungen stabilisierten sich die Mieten, während die Kaufpreise wei- ter stiegen. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren wieder einschlei- fen, da unserer Meinung nach wie- der weniger gebaut werden wird.“ Ein weiterer Faktor ist der Wegfall der AirBNB-Wohnungsvermietung. „Wir gehen davon aus, dass in Wien ca. 10.000 Wohnungen als AirBNB-Woh- nungen Verwendung fanden. Durch den Wegfall der Touristen und weil diese Situation auch ungewisse Zeit andauern wird, wurden diese Woh- nungen wieder der Langf r i s tver- mietung (also drei Jahre) zugeführ t, was wiederum dämpfende Auswir- kungen auf den Mietenmarkt und das Mietniveau hat“, so Bauernfeind. Credits: beigestellt/Archiv 58 . GELD-MAGAZIN – Mai 2021
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