GELD-Magazin, April 2021

B esorgnis über zu große Konjunktur- pakete und ausufernde Geldpolitik schürten in den vergangenen Mo- naten weltweit Ängste, dass uns ein unkon- trollierter Anstieg der Inflation ins Haus ste- hen könnte. Entsprechende Signale der Mär- kte treiben die Renditen langlaufender Staatsanleihen vor allem in den USA seit ge- raumer Zeit nach oben (siehe Grafik auf Sei- te 10) – im Zehn-Jahresbereich zuletzt im März auf rund 1,72 Prozent und damit um mehr als 0,8 Prozentpunkte gegenüber ih- rem Jahresstart-Niveau. Auch ihre europä- ischen Pendants verzeichnen seit Februar zunehmend höhere Renditen. Vorangegan- gen waren dieser Entwicklung besorgte Stimmen darüber, dass das jüngst beschlos- sene 1,9 Billionen Konjunkturpaket der Biden-Regierung nun endgültig zu viel des Wirtschaftsstimulus sein könnte. WarnendeWorte Angeführt von Olivier Blanchard, dem lang- jährigen Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), und dem ehema- ligen US-Finanzminister Lawrence Sum- mers, äußerten sich viele Ökonomen besorgt über eine zu starke Nachfrageseite, sobald die Wirtschaften wieder hochgefahren wer- den. „Ich stimme zu, dass zu viel besser ist, als zu wenig, und wir eine Überhitzung an- streben sollten. Die Frage ist aber: wie viel? Ich denke, dieses Paket ist zu viel“, schrieb Blanchard im Februar auf Twitter. Der Har- vard-Ökonom Summers schlug gegenüber Bloomberg noch schärfere Töne an: „Es be- steht die reale Möglichkeit, dass wir uns in- nerhalb des Jahres mit dem schwerwie- gendsten, beginnenden Inflationsproblem befassen werden, mit dem wir in den letzten 40 Jahren konfrontiert waren.“ Entscheidende Erwartungen Prinzipiell kann ein einmaliger Nachfrage- schub auch ohne dauerhafte Auswirkungen auf die Preise bewältigt werden, da jeder er- kennt, dass es sich um ein außergewöhn- liches Ereignis handelt. Wenn es jedoch zu wiederholten Zyklen von Schüben und poli- tischen Reaktionen kommt, entsteht ein Mu- ster, das die Sicht der Menschen auf die Zu- kunft verändert. In der Sprache der Zentral- banken werden die Erwartungen verankert. Derzeit besteht kein Zweifel, dass große fis- kalische Stimuli erforderlich waren, um die unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkun­ gen der Pandemie zu mildern. Die Zentral- banken wandern mit ihrer Politik jedoch auf einem schmalen Grat. Straffen sie die Maß- nahmen zu stark, dann drohen eine Finanz- krise und Rezession, lassen sie die Inflation zu sehr laufen, dann riskiert man eine Ver- ankerung der Inflationserwartungen. „Over time, but not on a dime“ Sowohl die Federal Reserve (Fed) als auch die Europäische Zentralbank (EZB) sehen die Lage noch entspannt. Beide Noten- banken haben nach der Finanzkrise den Fehler gemacht, ihre Politik zu schnell zu verschärfen, was sie später zu einer Strate- gieumkehr auf Kosten ihrer Glaubwürdig- keit zwang. Um nicht wieder in dieselbe Fal- le zu tappen, wird selbst in ihrer Kommuni- kation momentan kein Risiko eingegangen. Hinsichtlich der aufgestauten Nachfrage und Engpässen in den Lieferketten kalmierte der Vorsitzende der US-Notenbank Jerome Powell: „Wir gehen davon aus, dass die In- flation im Laufe dieses Jahres steigen wird, doch wir denken, dass die Auswirkungen weder besonders groß noch anhaltend sein werden.“ BRENNPUNKT . Inflation Geldpolitischer Balanceakt Die Märkte erwarten Inflation! Zentralbanken stehen nun vor der Herausforderung, die langfristigen Zinsen zu zähmen, um ein Abwürgen des Aufschwungs zu verhindern, ohne die Gefahr einer Inflation aus den Augen zu verlieren. MORITZ SCHUH Credits: beigestellt; wikipedia.com; Leigh Prather/stock.adobe.com „Ich mache mir viel mehr Sorgen, dass wir entweder eine Inflation oder eine ziemlich dramatische fiskalisch-monetäre Kollision haben werden.“ Larry Summers, ehemaliger US-Finanzminister Noch befinden sich die Inflationsraten in der Eurozone und den USA weit unter den Zielen ihrer Zentralbanken. Doch warnende Stim- men verweisen auf eine unkontrollierbare Dynamik nach der Öffnung der Wirtschaften. INFLATION STEIGT NUR LANGSAM 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 0,5% 2,0% 1,5% 1,0% 2,5% USA Eurozone 8 . GELD-MAGAZIN – April 2021

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