GELD-Magazin, April 2021

BRENNPUNKT . Inflation Planlose EU erfordert Eingriffe der EZB Es droht eine ungeordnete Be- wegung an den europäischen Staatsanleihenmärkten, da das fiskalisch-monetäre Experiment zunehmend Probleme bereitet. In den kommenden Monaten rechne ich mit einer sehr dominanten EZB- Intervention bei Staatsanleihen. Ange- sichts der angespannten Liquiditätsbe- dingungen bei Unternehmensanleihen mit Investment Grade sollte man auch hier eine unveränderte Kaufintensität von sechs Milliarden Euro pro Monat für den Unternehmenssektor erwarten. Die US-Notenbank wird hingegen dem Vorsichtsprinzip huldigen. Angesichts des Finanzierungsungleichgewichts von 3,6 Billionen Dollar zwischen An- gebot und Nachfrage ist im Jahr 2021 kein Tapering zu erwarten. Der Markt e rwa r t e t h i e r e i n e re s t r i k - t ivere FED mi t einer Lei tzins- anhebung Mitte 2023 und preist e i ne vo l l s t än - d i ge Le i t z i ns - Normalisierung in Richtung 2,5 Prozent in 2025 ein. Die FED befasst sich mit realen Fakten und Daten und nicht mit Progno- sen und stärkt damit ihre ergebnisori- entierte Führung. Da wir es mit einer höchst ungewissen Zukunft zu tun ha- ben, sollten wir in den nächsten Quar- talen eine deutliche Verlangsamung des geordneten Ausverkaufs bei US- Staatsanleihen erwarten. Peter De Coensel, CIO Fixed Income, DPAM Geringe Gefahr für eine Teuerung in Europa Die umfangreichen Hilfspakete in den USA werden einen Wirtschaftsboom auslösen, Inflationserwartungen und Zinsen steigen. In Europa hält die EZB die Zinsen noch tief. ZINSEN STAATSANLEIHEN 10 JAHRE So wirken steigende Rendi- ten auf Vermögenswerte: Höhere Renditen für Staatsanleihen haben den US-Dollar für Anleger at- traktiver gemacht und ihn aus seinem Dreijahrestief herausgeholt. Gold an- dererseits ist nach seiner Vorjahresral- ly heuer stark eingebrochen – Edel- metalle gewinnen insbesondere bei tendenziell sinkenden und negativen Realzinsen. Bei Aktien sehen wir ein gemischtes Bild. Teure Wachstums- werte, etwa aus dem US-Technologie- sektor, werden wegen ihres Verschul- dungsgrads und die höhere Bewertung bereits bei geringeren Inflations- bzw. Zinsanstiegen überproportional nega- tiv tangiert. Es kommt zu einer Rota- tion in eher zyklische Value-Sektoren wie Grundstoffe und Energie. Auch europäische und asiatische Value- Titel mit zunehmendem Gewinnmo- mentum scheinen ihre US-Pendants weiter outzuperformen. Zusätzlich bieten sich „Corona-Verlierer“-Aktien des Jahres 2020 an, also Unterneh- men aus dem Segment Touristik und Verkehr, die noch über gewaltiges Aufholpotenzial verfügen. Immobi- lien werden ab einem bestimmten Kreditzinsniveau negativ tangiert. -1,0% 3,5% 3,0% 2,5% 2,0% 1,0% 1,5% 0,5% 0% -0,5% 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 USA Deutschland Langsame Erholung dämpft die europäische Inflation Der Harmonisierte Verbraucherpreis- index der Euroregion übertraf zuletzt die Erwar tungen deut l ich. Wie ein Blick auf die deutschen Inflationsdaten zeigt , ist die Überraschung jedoch größtenteils auf einmalige Faktoren wie das Auslaufen der Mehrwertsteu- ersenkung oder eine Anpassung der Indexgewichtung zurückzuführen. Obgleich wir annehmen, dass die Impf- stoffe die Wirtschaft auf einen Weg der Erholung bringen, glauben wir auch, dass diese ungleichmäßig ver lau- fen und viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Wir erwarten, dass das europä- ische BIP erst 2022 wieder auf das Ni- veau von vor der Pandemie zurückkeh- ren wird. Bei einer derart langsamen Renormalisierung dürfte die Inf lation niedrig bleiben und in den kom- menden zwö l f bis 18 Monaten nur al lmähl ich ansteigen. Nach u n s e rem D a - fürha l ten wi rd die Fiskalpolitik in Zukunf t von g r öße re r Be - deutung für die Inflationsaussichten im Euroraum sein als die Geldpol i t ik. Denn die Kapazi täten der europä- ischen Wirtschaft sind noch lange nicht voll ausgelastet, und eine expansive Geldpolitik der Europäischen Zentral- bank ist nötig, um die Finanzierungs- kosten der Regierungen in Grenzen zu halten, auch wenn sie darüber hinaus wenig erreicht. Lorenzo Pagani, Leitender Portfoliomanager Euro- Staatsanleihen, PIMCO Credits: beigestellt/Archiv 10 . GELD-MAGAZIN – April 2021

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