GELD-Magazin, März 2021

wir jetzt während der Krise dort unterstützt, wo es notwendig ist – wir haben zwei Ein- malzahlungen bereitgestellt, auch haben wir die Notstandshilfe auf das Niveau des Arbeitslosengeldes angehoben. Es ist sicher richtig, Arbeitslose zur Job- suche zu animieren. Aber ist es nicht so, dass es – vor allem in Zeiten von Corona – schlichtweg an freien Stellen mangelt? Corona ist natürlich eine Ausnahmesituati- on am Arbeitsmarkt. Trotzdem haben wir in Österreich derzeit rund 58.000 offene Stel- len, die aber regional sehr ungleich verteilt sind. Die überregionale Vermittlung ist hier ein Baustein, mit dem Ziel, das vorhandene Potenzial bestmöglich zu nutzen. Es gibt be- reits einige Pilotprojekte, die zum Beispiel durch die Bereitstellung einer Unterkunft und optimaler Betreuung vor Ort beim Um- zug unterstützen. Es ist wichtig, das weiter zu stärken, vor allem nach Corona. Darüber hinaus ist es wichtig, auch zu berücksichti- gen, dass viele der derzeit verfügbaren Stel- len nicht beim AMS gemeldet sind und da- her bei der Stellenvermittlung auch nicht aufscheinen. Es kommen auch ständig neue freie Stellen dazu, man darf die Dynamik des Arbeitsmarkts nicht unterschätzen. Es ist daher davon auszugehen, dass das tat- sächliche Stellenangebot deutlich größer ist. Stichwort Corona: Welche weiteren kon- kreten Hilfsmaßnahmen sind für den Ar- beitsmarkt geplant? Wirtschaftsforscher gehen ja davon aus, dass viele Firmen- pleiten und somit Jobverluste erst heuer im zweiten Halbjahr kommen … Aktuell geht es um die Sicherung von Be- schäftigung und Qualifizierung während der akuten Krisenbewältigung. Die Kurzar- beit ist derzeit sicher eines der wichtigsten Kriseninstrumente, mit der wir die Men- schen in Beschäftigung halten. So haben wir in Zusammenarbeit mit den Sozialpart- nern die Verlängerung der Kurzarbeit bis Ende Juni in ihrer derzeitigen, relativ groß- zügigen Form beschlossen. Das ist auch wichtig, weil die Pandemie noch nicht über- standen ist und wir in einigen Bereichen im- mer noch mit behördlichen Schließungen konfrontiert sind. Längerfristig ist meiner Meinung nach Qualifizierung der Schlüssel. Wenn wir jetzt qualifizieren, haben wir aus- reichend gut ausgebildete Arbeitskräfte, wenn die Konjunktur wieder Fahrt auf- nimmt. Das ist mir auch persönlich ein be- sonderes Anliegen in meiner Arbeit. Welche Maßnahmen wird es für Telewor- king geben? Wir haben Ende Jänner gemeinsam mit den Sozialpartnern neue Regeln für das Arbei- ten im Homeoffice beschlossen, die meiner Meinung nach die Rahmenbedingungen für das Arbeiten zu Hause sehr klar machen und die Bedürfnisse beider Seiten – die der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – be- rücksichtigen. Unser Regelwerk enthält un- ter anderem arbeitsrechtliche Bestimmun­ gen, wie den Unfallversicherungsschutz für Beschäftigte im Homeoffice. Auch steuer- lich haben wir Begünstigungen geschaffen und einen steuerlichen Absetzbetrag von in Summe 600 Euro pro Jahr für das Homeof- fice ermöglicht. Seit Jahrzehnten wird eine Senkung der Lohnnebenkosten gefordert, wollen Sie hier neue Initiativen setzen? Der Faktor Arbeit ist bekanntermaßen in Österreich stark belastet. Über eine Sen- kung der Lohnnebenkosten kann man mei- ner Meinung nach jedenfalls diskutieren, um Impulse für den Aufschwung zu gene- rieren. Eine Reduktion der Lohnnebenkosten würde automatisch weniger Einnahmen für den Staat bedeuten. Wie lässt sich der Ausfall kompensieren? So einfach ist das nicht. Die Struktur der Lohnnebenkosten und Lohnabgaben in Öster­ In Österreich gibt es derzeit rund 58.000 offene Stellen. reich ist sehr komplex. Jede Entlastung, sei es eine Steuerentlastung, sei es eine Sen- kung der sonstigen Abgaben, führt natürlich zu Mindereinnahmen. Gleichzeitig hat das auch positive Effekte auf die Beschäftigung und auf die Einkommen der Menschen, wo- von wiederum der Staat profitiert. Ein Dauerbrenner der Arbeitsmarkt­ politik ist ebenfalls die Anhebung der Lebensarbeitszeit. Müssen wir also bald bis 70 arbeiten? Außerdem sagt der Volksmund: Wenn die „Alten“ länger ar- beiten, nehmen sie den „Jungen“ die Jobs weg. Stimmt das? Das ist ein vielverbreiteter Mythos. Viel- leicht in einzelnen Fällen, aber auf der Ebe- ne der Gesamtwirtschaft ist das nicht der Fall, weil unterschiedliche Qualifikationen vorliegen. Menschen, die im Arbeitsprozess sind, haben zudem mehr Konsummöglich- keiten und schaffen damit auch zusätzlich Arbeitsplätze. Wenn Menschen länger im Arbeitsprozess sind, profitieren alle davon. Als Arbeitsminister ist es natürlich mein Ziel, die Menschen möglichst lang gesund in Be- schäftigung zu halten. Wenn sich das fak- tische Pensionsalter an das gesetzliche an- nähert, haben wir schon einen großen Schritt gemacht. www.bmafj.gv.at März 2021 – GELD-MAGAZIN . 21

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