GELD-Magazin, März 2021

„Das Potenzial nützen“ D er breiten Öffentlichkeit war Mar- tin Kocher bereits als Leiter des IHS bekannt, jetzt führt er die Agenden des Arbeitsministeriums. Im (schriftlich geführten) Interview mit dem GELD-Magazin kristallisiert sich heraus, dass Kocher in der gegenwärtigen Situation vor allem auf Stabilität setzt. Auf Experi- mente, etwa Änderungen bei der Höhe des Arbeitslosengeldes, will sich der Experte momentan nicht einlassen. Für Diskussi- onen und Denkanstöße steht er aber offen. Sie haben mit der Überlegung für Aufse- hen gesorgt, das Arbeitslosenentgelt zu Beginn zu erhöhen (die Rede ist von 70% Die Österreicherinnen und Österreicher sollten möglichst lange und gesund in der Arbeitswelt aktiv sein, meint Martin Kocher.Weiters spricht sich der Minister für eine überregionale Job-Vermittlung aus. HARALD KOLERUS „Wenn Menschen länger im Arbeitsprozess sind, profitieren alle davon“, Martin Kocher des Letztbezugs), später aber „ein wenig“ zu senken. Können Sie das Modell und seine Zielsetzung kurz vorstellen? Generell halte ich eine Reform des Arbeits- losengelds zum jetzigen Zeitpunkt nicht richtig. Darüber kann man diskutieren, wenn sich der Arbeitsmarkt wieder etwas erholt hat. Das degressive Modell ist eine mögliche Variante, die wir nach der akuten Krisenbewältigung diskutieren können. Es geht hier darum, dass die Entschädigung am Anfang höher als jetzt liegt, und dann absinkt. Betroffene verlieren damit anfangs nicht so viel, wenn sie arbeitslos werden. Der Anreiz wäre dann aber größer als jetzt, sich schneller einen Job zu suchen. Können Sie die Höhe der geplanten Sen- kung bereits beziffern? Derzeit liegt der Ersatz bei 55 Prozent des Letztbezuges. Bei einem durchschnittlichen Netto-Mo- natsgehalt von 1600 bis 1700 Euro bleibt da bereits heute nicht viel übrig. Sind weitere Senkungen überhaupt zumutbar? Es gibt verschiedene Modelle, über die man diskutieren kann, sobald sich der Arbeits- markt erholt hat. Die Ersatzrate ist dabei nur ein Element. Derzeit ist eine Reform wie gesagt kein Thema, weil die akute Be- wältigung der Krise Priorität hat. Der Fokus liegt auf Qualifikationen, um später bessere Chancen zu haben. Die politische Opposition wittert hinter dieser Maßnahme beim Arbeitslosengeld „Sozialabbau“, was antworten Sie den Kritikern? Wir verfügen in Österreich über ein sehr engmaschiges soziales Netz und liegen da- mit auch im europäischen Spitzenfeld. Das halte ich für richtig. Zusätzlich dazu haben Credit: BKA/Andy Wenzel 20 . GELD-MAGAZIN – März 2021 INTERVIEW . Martin Kocher, Bundesminister für Arbeit

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