GELD-Magazin, Februar 2021
Optimismus regiert. Bangemachen gilt nicht, so könnte man das Motto von „DAX 19.000. Wie Sie vom kommenden Crack- up-Boom profitieren können“ kurz und prägnant zusammenfassen. Das ist durch- aus erfrischend, wird ansonsten die Medi- enlandschaft doch überwiegend von Nega- tiv-Schlagzeilen beherrscht. Immer wieder ist zu hören oder zu lesen: „Die Welt wird nach Corona eine andere sein, es kommt zu einer neuen Bescheidenheit, die Men- schen werden mehr sparen und ihre An- sprüche zurückschrauben.“ Das würde ge- drosselten Konsum und erneut abflauen- des Wirtschaftswachstum bedeuten. Steht somit nach der Corona-Krise schon der nächste große Crash vor der Tür? Autor Erich Pitak, Finanzmarkt-Spezialist mit 30-jähriger Praxis, sagt dazu ein ganz klares „Nein“. Stattdessen müssten wir uns darauf einstellen, dass die Niedrigzinspoli- tik weiter anhalten wird. Der Nullzinsfalle entkommt man laut Pitak am besten durch gezielte Aktieninvestments, wobei er für den deutschen Leitindex ein durchaus am- bitioniertes Kursziel in den Raum stellt: 19.000 Punkte bis zum Jahr 2027. Mit „et- was Glück“ würde sich diese magische Marke nehmen lassen. Dabei beschränkt sich der Autor aber keineswegs nur auf den DAX, sondern lädt zu einem Streifzug durch die Finanzmärkte und Weltbörsen ein. Dabei kommt sein fundamentales Wis- sen nicht zu kurz: Behandelt werden unter anderem die relative und absolute Bewer- tung des Aktienmarktes oder die „große Rotation“ von Aktien in Anleihen. In Gefahr. Ein erstürmtes US-Kapitol so- wie ein Präsident, der seine Niederlage nicht einsehen wollte, ließen die Welt in jüngster Vergangenheit staunend zurück. Aber nicht nur in den Vereinigten Staaten häuften sich beunruhigende Entwick- lungen: Man denke etwa an die Law& Order-Politik in Brasilien und auf den Phi- lippinen. Wobei: Man muss gar nicht so weit über die Grenzen hinwegblicken; in Ungarn und Polen lassen sich autoritäre Tendenzen nicht übersehen. Steckt also die Demokratie rund um den Globus in der Krise? Schlittern wir ab in den Totalitaris- mus oder steht uns der Weg in „gelenkte Demokratien“ bevor? Der international an- erkannte Politologe Adam Przeworski sucht in seinem neuesten Werk nach den passenden Antworten. Er untersucht dabei Staaten, die ein Abgleiten in autoritäre Verhältnisse bereits erlebt haben. Dabei werden vor allem drei Ursachen herausge- arbeitet: ökonomische, soziale, aber auch im engeren Sinn politische. Heute sei laut Przeworski die Situation in vielen Staaten dadurch gekennzeichnet, dass Teile der Be- völkerung nicht länger am wachsenden Wohlstand partizipieren können und den Glauben an die Zukunft verloren haben. Frei nach dem Motto: „Früher war alles besser!“ Was zunächst nach harmlosem „Geraunze“ klingen mag, macht bei nähe- rer Betrachtung die Bürger anfällig für ge- fährliche Demagogen. Das Gegenrezept lautet: Ökonomische Ungerechtigkeiten beseitigen und Menschen aktiv am politi- schen Leben beteiligen. Dem Tod entronnen. Der Bestseller-Autor und Historiker Timothy Snyder (Yale-Uni- versity) lässt kein gutes Haar am US-ameri- kanischen Gesundheitssystem. Kein Wun- der, fühlte er sich in einem amerikanischen Krankenhaus doch mehr als Bittsteller, denn als ernstgenommener Patient. Eine schwere Erkrankung wurde mehrfach falsch diagnostiziert - bzw. einfach igno- riert. Nach stundenlangem Warten in der Notaufnahme landete er reichlich spät auf dem Operationstisch - glücklicherweise konnte er dem Tod gerade noch „von der Schippe springen.“ Diese Eindrücke schil- dert Snyer in „Die amerikanische Krank- heit“, einem sehr persönlichen Buch. Gleichzeitig erfolgt eine harte Abrechnung mit dem Versagen Donald Trumps im An- gesicht der Pandemie: „Es war schon viel zu leicht, in diesem Land zu sterben, bevor das Coronavirus in die Vereinigten Staaten gelangte. Unser stümperhafter Umgang mit der Pandemie ist das jüngste Symptom unserer Krankheit, einer Politik, die Schmerz und Tod statt Sicherheit und Ge- sundheit bringt, Profit für einige wenige statt Wohlstand für viele.“ Der Autor plä- diert vehement dafür, die Kommerzialisie- rung der Medizin zu verhindern und den Sozialstaat nicht aus der Hand zu geben. Interessant für Leser aus Österreich und vor allem Wien: Snyder lebte mehrere Jah- re in der Bundeshauptstadt und ist noch immer voll des Lobes für die medizinische Behandlung in unserem Land. Eines seiner Kinder wurde hier zur Welt gebracht, die Versorgung sei erstklassig gewesen. Krisen der Demokratie Adam Przeworski. Verlag: Suhrkamp. 253 Seiten. ISBN: 978-3-518-12751-3 DAX 19.000 Erich Pitak. Verlag: FBV. 286 Seiten. ISBN: 978-3-95972-365-7 Die amerikanische Krankheit Timothy Snyder. Verlag: C.H.Beck. 157 Seiten. ISBN: 978-3-406-76136-2 BUCHTIPPS . Neuerscheinungen & Pflichtlektüre Credits: beigestellt 74 . GELD-MAGAZIN – Februar 2021
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