GELD-Magazin, Februar 2021
BRENNPUNKT . USA nach Donald Trump Credits: beigestellt Inwiefern waren Sie von der Besetzung des US-Kapitols überrascht? Verblüfft war ich vor allem von der Intensität dieses – man kann wohl schon sagen – gescheiterten Put- sches. Ich hätte nicht gedacht, dass tausende Men- schen das Capitol stürmen und dort unter anderem die Ermordung der Sprecherin des Repräsentanten- hauses fordern. Überrascht war ich auch vom Versa- gen der Sicherheitskräfte, immerhin hatte es ja viele Warnungen gegeben. Betonen muss man vor allem, dass die Nationalgarde abwesend war, sie unter- stand dem Präsidenten, also zu diesem Zeitpunkt Donald Trump. Das könnte noch wochen- und mo- natelange Untersuchungen nach sich ziehen. Wie wird es mit Trump weitergehen? Sein ehe- maliger Sicherheitsberater, John Bolton, meint, Trump würde bald in der Bedeutungslosigkeit verschwinden … Das wäre die positive Variante. Es gibt aber auch an- dere Möglichkeiten: Trump hat in den vergangenen Monaten sehr viel Geld eingesammelt und die „Kriegskassa“ gefüllt. Diese könnte er dazu nützen, um in Zukunft missliebige Parteifreunde „abzuschie- ßen“. Eine weitere – möglicherweise damit verbun- dene – Variante wäre es, ein eigenes Medienimperi- um aufzubauen. Denn von Twitter und Co. wird er zunehmend geächtet. Die erneute Kandidatur Trumps für die Republikaner zur Präsidentschafts- wahl 2024 ist extrem unwahrscheinlich. Es ist hinge- gen nicht auszuschließen, dass er 2024 für eine neu gegründete, dritte Partei ins Rennen gehen wird. Eine Spaltung der Republikaner wäre durch einen Alleingang Trumps somit möglich. Anton Pelinka, Prof. für Politikwissenschaft (em.), Budapest und Innsbruck . INTERVIEW „Als das Kapitol gestürmt wurde, unterstand die Nationalgarde Donald Trump. Das könnte lange Untersuchungen nach sich ziehen.“ vor Augen: 50 US-Bundesstaaten schicken jeweils zwei Senatoren nach Washington, wobei es keine Differenzierung nach der Größe der Staaten gibt. Zum Beispiel bevöl- kern fast 40 Millionen Menschen Kalifor- nien, Wyoming hingegen nur 575.000, was aber unter den Tisch fallen gelassen wird. „Eine Stimme aus Wyoming hat also, umge- rechnet auf die Einwohnerzahl, 69 Mal so viel Gewicht wie eine Stimme aus Kalifor- nien“, rechnen die Autoren Lamby und Brinkbäumer in „Im Wahn“ vor. Wahlge- rechtigkeit sieht anders aus. Ähnlich abstrus die Situation beim Präsidentschafts-Ren- nen: Zumeist gilt das „Winner-Takes-It-All- Prinzip“, wenn also in einem Bundesstaat eine auch nur hauchdünne Mehrheit ero- bert wird, werden 100 Prozent der Wahl- männer gewonnen. Das kostete Hillary Clin- ton und Al Gore die Präsidentschaft, obwohl sie landesweit mehr Wähler auf sich zogen. Eine Reform dieses Systems wäre dringend notwendig, sie wird aber von den Republi- kanern blockiert ... Schwächen und Stärken Will man ein Fazit ziehen, fällt die US-Bi- lanz nicht glänzend aus, vielleicht zu schwarzmalerisch? Der bekannte Politologe und Amerika-Kenner Anton Pelinka wider- spricht der Aussage, dass sich die USA im Niedergang befinden würden: „Die Vereini- gten Staaten sind voll von Unzulänglich- keiten und – korrigierbaren – Fehlern. Das haben sie mit den anderen westlichen De- mokratien gemeinsam. Hingegen sind Russ- land und China dabei, eine Art Dauerpräsi- dentschaft einzurichten; wobei ich die Fi- xierung auf eine Führungsperson nicht als ein Zeichen der Stärke sehe. Hingegen ist es ein Ausdruck von Stärke, dass freie Wahlen zu friedlichen Führungswechseln führen, dass also ein Präsident abgewählt werden kann: So, wie das in den USA passiert ist.“ Nicht alles verloren Mit Blick auf China fügt der Experte hinzu: „Im Reich der Mitte öffnet sich eine Diskre- panz zwischen wirtschaftlicher Liberalität und fehlenden persönlichen Freiheits- rechten. Ich bezweifle, dass das auf lange Sicht gut gehen wird. Ich meine, dass China viel weniger stabil ist als die USA. Ähnliches vermute ich auch für Russland.“ Dieser in- ternationale Vergleich legt nahe, dass für die USA nicht alles verloren ist. Sollten die inneren Reforem aber ausbleiben, hat sich der „American Dream“ bald ausgeträumt. Das politische ABC der USA Stefan A. Sengl. Verlag: Czernin. 165 Seiten. ISBN: 978-3-7076-0698-0 Kompakt und handlich: Im praktischen Westentaschenformat bietet das Buch einen Überblick zu den wichtigsten Begriffen rund um die Vereinigten Staaten. 16 . GELD-MAGAZIN – Februar 2021
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