GELD-Magazin, Februar 2021
Auch nicht die wirtschaftliche, die in den USA stärker ist als etwa in Europa; wobei in den Vereinigten Staaten die Schere zwi- schen Arm und Reich durch die Pandemie noch weiter auseinandergehen wird.“ Dabei ist das Armutsgefälle bereits jetzt schon sehr hoch, das kann man schön am soge- nannten Gini-Koeffizienten ablesen. Je hö- her dieser Indikator liegt, desto ungleicher sind die Einkommen in einer Volkswirt- schaft verteilt. Zum Vergleich: Österreich liegt mit einem Wert von 27,9 am guten 14ten Rang in der weltweiten Rangliste. Die USA landen mit einem Gini-Koeffizienten von 41,5 hingegen nur auf Platz Nr. 95 – gleich hinter der Elfenbeinküste und gerade noch vor Papua-Neuguinea. Länder, die bei dieser Bemessung besser abschneiden als die USA sind übrigens unter anderem In- dien, Iran oder Äthiopien. Am sozialen Abstellgleis Diese beschämende Bilanz wird noch erdrü- ckender, wenn man sich vor Augen führt, dass die USA nach wie vor mit Abstand die größte Ökonomie der Welt darstellen (mit China auf den Fersen, siehe Bericht rechts). Allerdings: Sind die ganzen USA wirtschaft- lich führend? Mitnichten. Amerika ist stark von seinem „Aushängeschild“ abhängig: Dem Silicon Valley mit seinen High-Tech- Spitzenunternehmen wie Google und Face- book. Abgesehen davon, dass auch in die- sem Bereich China mächtig aufholt, macht der Bundesstaat Kalifornien (Heimat des Si- licon Valley) mehr als 14 Prozent des US- Gesamt-BIPs aus. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Texas und New York mit jeweils über acht Prozent des BIP. Dann wird es im- mer magerer, Florida kommt als einziger weiterer Bundesstaat auf einen Anteil von über fünf Prozent. Hingegen sind weite Landstriche von einem Niedergang der ehe- mals stolzen Schwerindustrie gekennzeich- net. Die absehbaren Folgen Arbeitslosigkeit, fehlende Kaufkraft und das Gefühl, am sozi- alen Abstellgleis zu rangieren, haben die Wut auf „das Establishment“ befeuert. Das verhalf Trump letztlich 2016 zu seinem überraschenden Wahlsieg. Ein Treppenwitz der Geschichte ist, dass er selbst als schwer- reicher Erbe und Multimilliardär die wirt- schaftliche Elite des Landes repräsentiert. Aber mittlerweile hat ja Joe Biden den Chef- sessel im Oval Office übernommen: Wird dieser das Ruder herumreißen können? Medien undWahlen Experte Lamby meint, dass Biden jetzt ver- suchen wird, einen anderen Ton in die De- batte zu bringen, auf die Politik der Lügen seines Vorgängers verzichtet, auf Wissen- schafter hört, und Fakten wieder in den Vor- dergrund stellt. Außerdem wären rechtliche Änderungen nötig, beginnen wir in der Me- dienlandschaft: „Die Section 230 des ameri- kanischen Medienrechts besagt, dass sozi- ale Medien, anders als etwa Buch- oder Zei- tungsverlage, für die von ihnen verbreiteten Inhalte nicht haften müssen. Soziale Medi- en werden lediglich als Plattformen be- trachtet. Das sollte sich ändern, auch Face- book, Twitter und Co. sollten wie klassische Verlage in die Verantwortung genommen werden. Was übrigens auch der EU anzura- ten ist“, so Lamby. In den USA wiederum ist eine weitere „Baustelle“ schnell auszuma- chen: Das verzwickte Wahlrecht, das in Eur- opa und anderen demokratischen Ländern in regelmäßigen Abständen zu fassungslos- sem Kopfschütteln führt. Das betrifft die, vorsichtig ausgedrückt, schleppenden Aus- zählungsmodalitäten, aber noch vielmehr: das Wahlsystem selbt. Man führe sich „In den Vereinigten Staaten wird die Schere zwischen Arm und Reich durch die Pandemie noch weiter auseinandergehen.“ Stephan Lamby, Autor, Journalist und USA-Kenner Super-Power mit enormem Renovierungsbedarf Die USA sind mit einem BIP von über 20 Billionen Dollar (Einschätzung für 2020) nach wie vor die ökonomische Supermacht Nummer eins. Aber vor allem China holt auf: Derzeit hält es bei einer Wir tschaftsleistung von umge- rechnet rund 15 Billionen Dollar. Pro- gnosen zufolge soll das Reich der Mitte in spätestens zehn Jahren die USA als größte Volkswirtschaft ablösen. Auch andere Fakten stimmen bedenklich ... Morsch und marode In weiten Teilen der USA liegt die In- frastruktur im Argen: Marode Straßen, lecke Wasserleitungen und Stromaus- fälle sind keine Seltenheit. Selbst der Schönredner Trump hatte das Problem erkannt und ein Infrastruktur-Investi- tionspaket im Ausmaß von einer Billi- on Dollar angekündigt. Joe Biden ver- sprach für die kommenden vier Jahre Ausschreibungen von insgesamt 400 Milliarden Dollar, unter anderem für saubere Energien aber auch für die Infrastruktur. Der langfristige Investi- tionsbedarf bis 2039 liegt allerdings sogar bei 4.100 Milliarden Dollar! Das errechnete der Bauingenieursverband ASCE (American Society of Civil Engi- neers). Krankes Amerika Die USA wurden von Corona so har t getroffen wie keine andere westliche Industr ienat ion. Dafür sind Donald Trumps akutes Missmanagement so- wie das chronisch kränkelnde Ge- sundheitssystem verantwortlich. Eine einheitliche Versicherungspf licht gibt es nämlich nicht, was dazu führt, dass aktuell an die 30 Millionen Amerikaner ohne Krankenversicherung leben und überleben müssen. Februar 2021 – GELD-MAGAZIN . 15
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