GELD-Magazin, Februar 2021
Scharfe Töne Mit dem abgeblasenen Ant-IPO und den im November vorgestellten Entwürfen zur noch strengeren Regulierung monopolistisch agierender Internetplattformen scheint der Zenit für Chinas Techgiganten nun über- schritten zu sein. Die Details der neuen Re- geln decken alles ab: von Offshore-Struk- turen bis hin zu Big Data und betreffen Han- delsplattformen, digitale Zahlungsdienste und sogar Lieferservice-Apps. Zur Überwachung von Ant wurde eine Task Force eingerichtet, die von verschiedenen Abteilungen der Zentralbank und anderen Aufsichtsbehörden geleitet wird. Die Gruppe sammelt derzeit Daten, um die Umstruktu- rierung zu planen und weitere Regeln für die Branche zu entwerfen. Fest steht, dass Ant viele seiner Geschäftsbereiche – ein- schließlich Kredite, Versicherungen und Ver- mögensverwaltung – in ein neues, stärker reguliertes Holdingvehikel verlagern muss, um in diesen Bereichen Transparenz zu schaffen. Das bedeutet jedoch höhere Kapi- talanforderungen und senkt somit die Be- wertung. Pikant erscheint auch, dass Ant BRENNPUNKT . China 12 . GELD-MAGAZIN – Februar 2021 aufgefordert wurde, seinen riesigen Bestand an Verbraucherdaten mit der Zentralbank zu teilen. Auch Alibaba, das bisher faktisch nur einen Bruchteil des gesamten Einzelhan- delsmarktes bediente, rückt mit den neuen Regeln in den Fokus der Behörden. Mit 881 Millionen aktiven Nutzern – mehr als die Hälfte der Bevölkerung Chinas – könnte die Handelsplattform ebenfalls zurechtgestutzt werden. Ungewollte Folgen Mit dem erhöhten Druck auf die Technolo- gietitanen des Landes, scheint es unwahr- scheinlich, dass die Branche in naher Zu- kunft eine weitere Figur wie Ma in China hervorbringen wird. Die Konsequenzen für Peking dürften jedoch noch weiter reichen. Viele Länder, insbesondere im Westen, dürf- ten aus der Befürchtung, dass chinesische Unternehmen alle auf Geheiß der Kommu- nistischen Partei operieren, Sanktionen und Kontrollen über chinesische Firmen erhö- hen. Die eigentliche große Folge der erstick- ten Kritik im Inland wird damit wohl ein Verlust von Einfluss im Ausland sein. Chinas System beinhaltet von außen betrachtet einen Pakt, in dem die Menschen ihre Freiheit als Gegenleistung für Ord- nung, Wohlstand und nationales Prestige opfern. Bisher hat das System sehr gut funktioniert, doch wirtschaftliche Instabilitäten bergen Risiken für Arbeitslosigkeit, die den Vertrag zwischen dem Volk und der kommunistischen Partei brechen würden. Zu diesem Zweck kann Peking nicht zulassen, dass die Wirtschaft durch Marktungleichgewichte entgleist. Seit mehr als einem Jahrzehnt versucht die Partei daher sicherzustellen, dass sie auch in privaten Unternehmen eine Rolle spielt. Das Verhältnis zur Privatwirtschaft ist bis zu einem gewissen Grad flexibel. Die Firmen sind größtenteils noch für ihre grund- legenden Geschäftsentscheidungen verantwortlich, doch die Partei möchte einen Platz am Tisch haben, wenn beispielsweise große Investitionen getätigt werden. Das übergeordnete Ziel ist sicherzustellen, dass der Privatsektor nicht zum konkur- rierenden Akteur im politischen System wird. Man will wirt- schaftliches Wachstum, aber nicht auf Kosten der Tolerierung alternativer Machtzentren. Die jüngsten Maßnahmen gegen die chinesischen Tech-Konzerne, sind die ersten wirklich großen Schritte seit in Krafttreten von Chinas Antimonopolgesetz im Jahr 2008. Die neuen Leitlinien zur Regulierung von Plattform- wirtschaften betonen deutlich die Einschränkung spezifischer monopolistischer Verhaltensweisen wie Preisbindung, Bevor- zugung von Eigenmarken, diskriminierende automatische Preisfestsetzung, Killerakquisitionen, Exklusivvereinbarungen und subventionierte Benutzerakquise. Was die Regulierungs- behörde zu diesen Schritten veranlasste, ist wahrscheinlich nicht, dass monopolistisches Verhalten in letzter Zeit verstärkt auftritt, sondern dass Technologiegiganten vomWeg der Partei abkommen. Ziel dürfte es sein, Fehlverhalten zu bestrafen und gleichzeitig chinesische Technologiegiganten zu schützen, um auf der globalen Bühne mit Amerikas Big Tech-Konzernen kon- kurrieren zu können. Peking hat kein Interesse, seine privaten Unternehmen in die Knie zu zwingen, denn China braucht seine Technologieführer, um in vielen Schlüsselbereichen, einschließ- lich Chips und Betriebssystemen, sowie bei der Erreichung anderer Technologieziele Eigenständigkeit zu erlangen. China: Unternehmen an der kurzen Leine „Aufgrund der auf- kommenden Zweifel an der Unabhängig- keit der großen chinesischen Techno- logieplattformen verkaufen wir unsere Positionen.“ Frank Schwarz, Fondsmanager des Mainfirst Global Equities
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