GELD-Magazin, Dezember 2020 / Jänner 2021
ZUR PERSON Gerhard Winzer ist seit März 2008 bei der Erste Asset Management tätig. Bis März 2009 war er Senior Fondsmanager im Be- reich Fixed Income Asset Allocation, seit April 2009 ist er Chefvolkswirt. Er hat ei- nen HTL-Abschluss und studierte an der Universität Wien Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre mit speziellem Fokus auf Finanzmärkte. Er ist CFA-Char- terholder und war von 2001 bis 2003 Teilnehmer des Doktoratsprogramms für Finanzwirtschaft im Center for Central European Financial Markets in Wien. Von Juli 1997 bis Juni 2007 war er in der CAIB, Bank Austria Creditanstalt, UniCredit Mar- kets & Investment Banking im Research tätig. Die letzte Position war Direktor für Fixed Income/FX-Research und Strategie. Von Juli 2007 bis Februar 2008 verantwor- tete er die Asset Allocation im Research der Raiffeisen Zentralbank (RZB). womit die Staatsverschuldungen vorerst kein Problem darstellen sollten. Auch der Markt schätzt dies so ein, wie man an den derzeit niedrigen Renditen italienischer Staatsanleihen ablesen kann. Die Probleme der Eurozone waren auch lange Zeit ein Pro- blem der Unterschiede. Heute haben sich die Lohnstückkosten weiter angeglichen, womit die Ausgangslage besser geworden ist. Nun zu 2021, welche Chancen sehen Sie in diesem Jahr für Anleger? Ich denke, dass sich die zyklische Erholung, die wir bereits seit November sehen, fortset- zen wird. Damals wurde erstens einiges an Unsicherheit durch die US-Wahlen aus dem Markt genommen – die Demokraten haben gleichzeitig den Senat nicht gewonnen, wo- mit Steueränderungen unwahrscheinlich ge- worden sind. Erste Konturen zeigen sich auch im Kabinett, z.B. mit der ehemaligen Fed-Chefin Janet Yellen als Finanzministe- rin und damit eine auf Jahre hinaus expan- sive Geldpolitik. Das lässt weiter Positives für die Märkte erwarten. Der zweite Grund für die Erholung waren gute Nachrichten von der Impfstoffseite her. Mit Pfizer/ BioNTech, Moderna und AstraZeneca publi- zierten drei Pharmafirmen positive Phase III-Studiendaten, wonach erwartet werden kann, dass im Jänner 2021 gleich drei Impf- stoffe verfügbar sein werden. In Großbritan- nien hat man bereits begonnen, zu impfen. Zwar rechne ich für das vierte Quartal 2020 in Europa mit einer abermaligen Schrump- fung des BIP, aber im Gesamtjahr 2021 ist wieder mit einer Normalisierung der Mobili- tät und einer deutlichen Erholung der Wirt- schaft zu rechnen. Ich erwarte hier ein glo- bales Gewinnwachstum von knapp 30 Pro- zent. Die gute Entwicklung zyklischer Ak- tien sollte daher vorerst andauern, womit europäische – auch die österreichische – und japanische Börsen besser gehen sollten als jene der USA. Denn erstens sind dort we- niger zyklische Werte gelistet und zweitens dürfte der Dollar aufgrund einer sinkenden Save Hafen-Nachfrage eher schwächer ten- dieren. Prinzipiell sollte man 2021 mit Ak- tien deutlich besser aufgestellt sein als mit Anleihen – hier erwarte ich am ehesten bei Unternehmens- und Emerging Markets-An- leihen positive Renditen. Wo sehen Sie noch Risiken in 2021? Was man in jedem Fall im Auge behalten sollte, ist die Entwicklung beim Coronavirus. Wir wissen, dass Pademien wellenförmig ablaufen. Sollte z.B. der Impfstoff nicht wir- ken, sind weitere starke Infektionswellen zu erwarten. Auch besteht das Risiko, dass sich viele Menschen nicht impfen lassen und da- mit die Pandemie prolongiert wird. Und nicht zuletzt bleibt zu hoffen, dass das Virus stabil bleibt, sodass die Impfungen weiter- hin wirksam sind. Werden wir 2021 bereits mit höherer In- flation zu kämpfen haben bzw. besteht dann die Gefahr, dass die Zentralbanken wieder restriktiver werden? Das ist der zweite Punkt, auf den ich als Risi- ko zu sprechen kommen will. Hier muss man beobachten, wie die Geld- und Fiskal- poltik weiter zusammenspielen wird – ich denke, das wird 2021 weiter gut funktonie- ren. Auf Unternehmensebene werden zwar Firmenpleiten zunehmen, wenn die Unter- stützungspakete zurückgefahren werden, aber ich denke, das wird nicht so dramatisch ausfallen, als dass die Erholung insgesamt gefährdet wäre. Die Rolle des Staates wird hier für den weiteren Verlauf sicher sehr wichtig sein. Trotz einer guten Wachstums- entwicklung erwarte ich für 2021 in Europa eine anhaltend niedrige Inflation, weil sich der Arbeitsmarkt nur schrittweise verbes- sern wird. Ein Bremsen der Zentralbanken wird voraussichtlich sogar die nächsten fünf Jahre nicht möglich werden. Bei Staatsanlei- hen könnten wir 2021 möglicherweise den- noch einen moderaten Renditeanstieg sehen. www.erste-am.com Aktien sollten 2021 aufgrund erwarteter Gewinnanstiege eine gute Entwicklung zeigen. Jänner 2021 – GELD-MAGAZIN . 9
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