GELD-Magazin, Dezember 2020 / Jänner 2021

von fast 30 Prozent.“ Als teuer können Eu- ropas Börsen somit also keineswegs angese- hen werden. Es gibt allerdings noch viel schlagkräftigere Kauf-Argumente. Unternehemen holen auf Ben Ritchie, Head of European Equities bei Aberdeen Standard Investments, meint zum GELD-Magazin: „Mit Blick in die Zukunft glauben wir, dass die Aussichten für europä- ische Aktien für die 2020er Jahre positiver sind als in den 2010ern. Nicht weil Europa ein billiger Markt ist, oder dass seine Politi- ker und Zentralbanker COVID-19 besser zu handhaben scheinen als frühere Herausfor- derungen. Der Grund für den Optimismus liegt vielmehr in Veränderungen der Unter- nehmen selbst.“ Der Experte sieht drei große Trends, die das Renditeumfeld für Europa bestimmen und die Anleger dazu bringen sollten, die Investitionssituation für die Region positiv zu überdenken: „Erstens ist Europa heute führend in der Praxis eines verantwortungsvollen Kapitalismus. Unab- hängig davon, wie Unternehmen ihre Um- welt-, Governance- oder sozialen Probleme bewältigen, konzentrieren sie sich stärker auf diese Bereiche und verwalten sie besser als ihre internationalen Wettbewerber. Wir glauben, dass dies es ihnen ermöglichen wird, die Risiken, wie sie etwa durch den Klimawandel entstehen, besser zu mindern und das daraus resultierende kommerzielle Potenzial zu nutzen. Zweitens bergen die Stärken Europas im Bereich des geistigen Eigentums erhebliches Wachstumspotenzi- al. Drittens: Es ist bekannt, dass Europa hin- ter den FAANG-Aktien (Facebook, Amazon, Apple, Netflix, Google) zurückbleibt und es an Unternehmen für Verbraucherplatt- formen mangelt. Wir sehen jedoch auch MÄRKTE & FONDS . Ausblick 2021 – Europa Starke Gewinnentwicklung Noch vor wenigen Jahren war sie das wirtschafts- politische Thema Nummer Eins: Die Verschul- dungsfrage Europas. Jetzt dominiert Corona die Schlagzeilen, was die Problematik natürlich nicht entschärft. Im Gegenteil: Die Pandemie-Bekämp- fung treibt die Staatsschulden noch weiter in die Höhe. Dennoch führt an Investitionen „auf Pump“ kein Weg vorbei. Die Performance der europäischen Börsen ist hinter den globalen Durchschnitt zurückgefallen. Das sollte sich aber 2021 ändern, weil Aktien aus dem „Alten Kontinent“ günstig bewertet sind und eine Erholung der Gewinne bevorsteht. HARALD KOLERUS E in Blick auf den Leitindex Euro- Stoxx50 sorgt für eingetrübte Stim- mung: Er konnte vom MSCI World in den letzten Jahren locker ausgestochen werden (siehe Grafik rechte Seite). Die Vor- zeichen stehen allerdings nicht schlecht, dass sich dieses Bild im kommenden Jahr und darüber hinaus ändern könnte. Fair bewertet Tobias Müller, Portfoliomanager der T. Rowe Price European Equity-Strategie, kommentiert: „Auf Marktebene sind wir der Ansicht, dass die absoluten Bewertungen europäischer Aktien derzeit angemessen sind, unsere Einschätzung basiert auf der Grundlage, dass wir in den nächsten zwei Jahren mit einer starken Gewinnerholung in Europa rechnen. Damit ist die Bewertung zwar historisch betrachtet etwas erhöht, sie ist derzeit jedoch niedriger als in den mei- sten anderen entwickelten Ländern, insbe- sondere den USA.“ Werner Leithenmüller, Fondsmanager 3 Banken Generali Invest- ment (3bg), fügt allerdings hinzu: „Histo- risch gesehen waren europäische Aktien be- reits viel günstiger! Die aktuellen Kursstei- gerungen fallen gegenwärtig stärker aus, als die Gewinne nachziehen. Aktuell ist der Markt mit einem erwarteten KGV von 21 be- wertet.“ Zum Vergleich: In der Vergangen- heit waren lange Zeit KGV-Niveaus von 14, 15 oder 16 zu beobachten. Leithenmüller: „Günstig wäre der Markt, wenn das reali- sierte Gewinnwachstum stärker ausfällt als der Consensus der Analysten. Im globalen Vergleich liegen Europa, Japan und Emerging Markets gleichauf. Amerika ge- nießt eine deutlich höhere Bewertung auf- grund der Indexzusammensetzung; wir sprechen hier von einer Bewertungsprämie „Die Bewertungen europäischer Aktien sind derzeit durchaus angemessen.“ Tobias Müller, Europa- Aktienstratege von T. Rowe Price Credits: pixabay; beigestellt/Archiv, stock.adobe.com/orpheus26 Corona lässt Verschuldungen weiter ansteigen Quelle: Eurostat Portugal 126,1% Italien 149,4% Belgien 115,3% EuroZone 95,1% Österreich 82,6% 187,4% Griechenland 0% 25% 50% 75% 100% 125% 150% 175% 200% Staatsverschuldung im 2. Qurtal 2020 in Relation zum BIP 28 . GELD-MAGAZIN – Jänner 2021

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