GELD-Magazin, Dezember 2020 / Jänner 2021
Credit: Viktor Orban: European Peoples Party; George Soros: WEF; Morawiecki: Bank Zachodni WBK/Marek Mytnik 10 . GELD-MAGAZIN – Jänner 2021 Die Erwartungen an den EU-Wiederaufbaufonds sind hoch. Doch Ungarn und Polen blockierten auf der Zielgeraden dessen Etablierung. In letzter Sekunde wurde doch noch ein Übereinkommen gefunden. MORITZ SCHUH Galgenfrist für Korruption N och im Sommer wurde die Eini- gung der EU-Staatschefs auf das Corona-Hilfspaket als eine der hi- storischsten Leistungen des Blocks gefeiert. Nicht so sehr wegen der Größe und den un- mittelbaren Auswirkungen, sondern viel- mehr wegen des starken symbolischen Cha- rakters für die europäische Solidarität. Nur wenige Monate später war von der angeprie- senen Einheit aber nicht mehr viel zu spü- ren. Die Entscheidung, den mehrjährigen EU-Haushaltsrahmen und den Recovery Fund an einen Rechtsstaatsmechanismus zu binden, trieb einen unerwartet tiefen Keil zwischen die Fronten der Mitgliedsländer und drohte zeitweise gar den Zusammenhalt der Union zu gefährden. MissbrauchteVetokratie Ein Veto Polens und Ungarns gegen das Paketabkommen blockierte gegen Ende des Jahres bis zum EU-Gipfel nicht nur die Hilfs- zahlungen, sondern auch den gesamten EU- Haushaltsplan der kommenden sieben Jah- re. Wohlwissend, dass viele von der Pande- mie hart getroffene Länder auf die schnelle Auszahlung der Gelder angewiesen sind, nahmen Polen und Ungarn als Duo Infernale mit ihrem Einspruch das gesamte Abkom- men in Geiselhaft, um den neuen Rechts- staatsmechanismus in letzter Sekunde zu kippen. Der Coup resultierte schließlich in einem riskanten Kräftemessen: Einerseits wollen beide autokratischen Regierungen vermeiden, dass dadurch das wahre Aus- maß ihrer Korruption ans Licht kommt, und andererseits sind einige Länder auf den neu- en EU-Haushalt und die Hilfszahlungen an- gewiesen, von denen sie in hohem Maße profitieren – pikanterweise auch Ungarn und Polen. Die Hintergründe Für die endgültige Verabschiedung der ge- samten EU-Finanzplanung Anfang Dezem- ber war ein einstimmiges Votum der 27 EU- Staaten erforderlich, doch Ungarn und Po- len kündigten bereits Wochen zuvor an, sich quer zu legen, wenn kein Kompromiss im Streit um den Rechtsstaatsmechanismus ge- funden würde. Diese neue Verordnung sieht nämlich vor, dass EU-Gelder bei Verstößen gegen demokratische Grundwerte gekürzt werden können. Den Widerstand antizipie- rend hatte die deutsche EU-Ratspräsident- schaft die Empfehlung im November bereits aufgeweicht. Es solle im EU-Rat eine qualifi- zierte Mehrheit für und nicht wie ursprüng- lich geplant gegen einen Sanktionsbeschluss der Kommission nötig sein. Zudem wurden Sanktionen bei Rechtsstaatlichkeitsverstö- ßen daraufhin beschränkt, dass ein unmit- telbarer Missbrauch von EU-Mitteln drohen muss. Auf dieser Basis hatten Ungarn und Polen grundsätzlich ihre Zustimmung signa- lisiert, doch in den weiteren Verhandlungen beharrte das Europäische Parlament auf eine Stärkung des Rechtsstaatsmechanis- mus. Der Bezug auf die Verwendung von EU-Geldern wurde daraufhin so erweitert, dass präventiv schon eine mangelnde Unab- hängigkeit von Gerichten begründete Be- denken darstellen, die eine unabhängige Kontrolle der Verteilung von EU-Mitteln nicht mehr garantieren. Ungarn und Polen legten aus Protest in einer separaten Abstim- mung über das Gesamtpaket, die Einstim- migkeit erfordert, ihr Veto ein. Typischer EU-Deal Als die Zeit immer knapper wurde und Un- garns Ministerpräsident Viktor Orbán mit einem EU-Austritt drohte, wurde in letz- „Ein doppelter Sieg für uns – wir werden viele Milliarden Euro erhalten und dieses Geld ist vor dem Rechtsstaats mechanismus sicher.“ Mateusz Morawiecki, Regierungschef in Polen „Die Verbindung mit Rechtsstaatlichkeit ist unverantwortlich, denn die Krise er fordert schnelle wirtschaftliche Entscheidungen.“ Viktor Orbán, Ministerpräsident Ungarns „Die Hauptleidtragen- den des Deals, den Merkel mit Orbán ausgehandelt hat, werden die Menschen in Ungarn sein.“ George Soros, ungarischer Milliardär und Orbán-Kritiker BRENNPUNKT . EU-Wiederaufbaufonds
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