GELD-Magazin, November 2020

L angfristiges Vermögensmanagement ist eine genuine Aufgabe von Privat- banken. Wie gehen die Finanzprofis nun mit der zweiten Corona-Schockwelle um? Wie schätzen sie die Situation der Weltwirtschaft ein und wie sieht ihre Invest- mentstrategie aus? Das GELD-Magazin hat bei ausgewählten Häusern nachgefragt. Ökonomie:Viele Krisenherde Christian Nemeth, Chief Investment Officer und Vorstandsmitglied der Zürcher Kanto- nalbank Österreich, fasst die fundamentale Situation so zusammen: „Nach dem en- ormen Absturz im Frühling hat sich die Weltwirtschaft in vielen Teilen wieder er- holt. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch Nachholeffekte und die massive Un- terstützung seitens der Regierungen und Notenbanken. Der weitere Verlauf wird zä- her und holpriger sein. Die Stimmungsindi- katoren zeigen vielerorts eine Verlangsa- mung der Aktivitäten an und auch die zu- letzt wieder rasch ansteigenden Infektions- zahlen bremsen die weitere Erholung.“ Die nächsten Monate werden laut dem Exper- ten daher von mehr Unsicherheit begleitet werden. „Ohne eine wirksame Therapie bzw. einen Impfstoff gegen das Coronavirus wird die Rückkehr zur Normalität schwie- rig“, so Nemeth. Dieter Hengl, Vorstands- vorsitzender der Schoellerbank, schätzt die Situation ähnlich ein: „Die lange Liste von Gefahren für die Aktienmärkte ist in der ak- tuellen Weltlage nicht von der Hand zu wei- sen: von der Wirtschaftskrise durch die Co- rona-Pandemie über den Brexit bis hin zu einer ganzen Reihe geopolitischer Span- nungen. Die globale Konjunktur hat sich zwar trotz der Corona-Krise wieder stabili- siert und nimmt an Fahrt auf, doch die Situ- ation ist fragil, und es kann wieder zu Rück- schlägen kommen. Die aktuellen Kursent- wicklungen an den Börsen spiegeln nicht diese fragile wirtschaftliche Situation an den Weltmärkten wider. Eine dauerhafte ökonomische Erholung wird erst dann ein- BANKING . Strategie der Privatbanken Gemischtes Bild Abwarten und investiert bleiben, aber nicht auf aktive Portfoliosteuerung vergessen. So kann man die Strategie exklusiver Privatbanken zusammenfassen. Dabei werden Aktien Performancetreiber bleiben, trotz hoher Volatilität. HARALD KOLERUS treten, wenn es einen effektiven Impfstoff gegen das Virus gibt.“ Aber Hengl sieht auch Positives: „Die Vergangenheit zeigt, dass Zeiten erhöhter Ängste immer wieder auch gute Chancen bieten, um Aktien zu kaufen. Wir stehen jedenfalls bereit, wieder Credits: beigestellt; Archiv Stefan Neubauer, Vorstand der Kathrein Privatbank Euro- und US-Staatsanleihen Negativ sind wir bei den Aussichten für Staatsanleihen in Euro wie auch bei US Treasuries eingestellt. Zusätzlich sind wir weiterhin negativ, was den Dollar gegen den Euro anbelangt. Emerging Markets Investments in Emerging Markets (Aktien wie auch Anleihen) beobachten wir ak- tuell sehr genau. Die Währungen einiger Schwellenländer sind stark unter Druck gekommen und haben seit Jahresbeginn teils deutlich korrigiert. Nachhaltige Investments Bei fast allen Asset Klassen steht die Ampel vor allem für „nachhaltige Investments“ auf grün. Der Trend zu ESG und SRI hat sich im Jahr 2020 nochmals spürbar ver- stärkt. „Während des dritten Quartals haben wir die neutrale Positionierung der Aktienquote unverän- dert beibehalten. Auf Sicht von einem Jahr gehen wir von positiven Aktienerträ- gen aus.“ Harald Friedrich, Stv. Vorstandsvor­ sitzender der LLB Österreich Staatsanleihen der Eurozone Euro-Staatsanleihen hoher Bonität bie- ten aufgrund tiefer Renditen und zuneh- mender „Financial Repression“ sehr mo- derate Ertragsaussichten. High-Yield-Corporate Bonds High-Yield-Anleihen weisen aktuell Ren- diteaufschläge auf, die wir angesichts steigender Ausfallsraten nur noch für an- gemessen erachten. Die schwächsten Emittenten des High-Yield-Segments wür- den wir derzeit bereits meiden. Emerging Markets Bonds Anleihen aus Schwellenländern sind aus unserer Sicht derzeit die attraktivste Anlei- heklasse, weshalb wir sie in gemischten Mandaten übergewichten. „Um einen Ertrag über der Inflationsrate zu erzielen, ist der Einsatz konjunktursensi- tiver Anlageklassen unum- gänglich, unter denen Aktien mittelfristig auch weiterhin die attraktivste Option dar- stellen. “ 22 . GELD-MAGAZIN – November 2020

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