GELD-Magazin, November 2020

I n einer Disziplin soll der Wiener unan- gefochtener Weltmarktführer sein: im „Raunzen“. Ob dieses Klischee stimmt, sei an dieser Stelle dahingestellt. Objektiv gesehen, gibt es an der Bundeshauptstadt viel zu loben, aber auch einiges zu kritisie- ren. Und es geht sicher noch „ein bisserl mehr“, wie man so schön sagt. Kampf der Krise Die Bundeshauptstadt investiert jährlich im Schnitt mehr als zwei Milliarden Euro. 2020 wurde das Gesamtvolumen der Investiti- onen noch vor Beginn der Covid-Pandemie um weitere 400 Millionen auf rund 2,5 Mil- liarden Euro erhöht. Als Unterstützung für die Wiener Wirtschaft, der Arbeitnehmer sowie für das Wiener Gesundheits- und So- zialsystem hat die Stadt zudem ein über 400 Millionen schweres Corona-Hilfspaket be- reitgestellt. Zusätzlich zu den genannten Maßnahmen hat die Bundeshauptstadt ein Konjunkturpaket in der Höhe von rund 600 Millionen Euro für kommunale Daseinsvor- sorge und die städtische Infrastruktur ge- schnürt. 360,5 Millionen stellt die Stadt selbst zur Verfügung, 239,5 Milionen Euro kommen aus dem Gemeindepaket des Bundes. Das Geld fließt in Bildungsinfra- struktur und Kindergärten, Sportstätten und Bäder, in Straßen- und Brückeninfra- struktur, den öffentlichen Verkehr und in die Wiener Pensionisten-Wohnhäuser. „Wir nehmen Geld in die Hand und investieren bewusst in die Bereiche Daseinsvorsorge, soziale Versorgung, Infrastruktur und Sport“, so Bürgermeister Michael Ludwig. Dass es sich hier um keine „Hauruck-Akti- on“ handelt und bereits in der Vergangen- heit viel getan wurde, steht außer Zweifel. Denn nicht umsonst wird Wien in schöner Regelmäßigkeit vom internationalen Bera- tungsunternehmen Mercer zur lebenswer- testen Stadt der Welt gewählt. Warten auf Godot Solche Auszeichnungen wärmen das „gol- dene Wiener Herz“, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, gilt aber nicht. Wo der Schuh drückt, weiß Alexander Biach (siehe Inter- view rechts), Standortanwalt für Wien. Die- se Funktion wurde im letzten Jahr bundes- gesetzlich verankert und in der Wirtschafts- kammer angesiedelt. Ihre Aufgabe ist es un- ter anderem, bei Genehmigungsverfahren von Bauvorhaben volkswirtschaftliche Ef- fekte als Argumente zur Entscheidungsfin- dung einzubringen. Biach meint etwa zu Klagen von KMUs über zu viel Bürokratie in Wien: „Wir brauchen eine schlanke Verwal- tung, die sich als Serviceeinrichtung ver- steht. Dort sind wir sicher noch nicht, daher kann ich die kritischen Stimmen durchaus verstehen. Ein Auswuchs der Bürokratie sind auch die überlangen Genehmigungs- verfahren. Aktuell wurde die letzte Geneh- migungshürde für die 380kV-Leitung er- teilt. 55 Jahre hat die Behörde dafür ge- braucht. So lange wartet man nicht mal auf Godot. Klar ist, dass es hier mehr Tempo und Mut zu Entscheidungen braucht.“ Lob und Kritik kommen auch von Andreas Leh- ner, Geschäftsführer „Verein Österreichi- sches Gesellschafts- und Wirtschaftsmuse- um“. (Das Wirtschaftsmuseum ist eine seit 1925 bestehende Institution, die sich stark der Volksbildung verpflichtet hat.) Lehner: „Mit gerade einmal 0,5 Prozent der Fläche, aber rund 20 Prozent der Bevölkerung Ös- terreichs, erwirtschaftet Wien im Jahr 2018 WIRTSCHAFT . Wien nach der Wahl Nur du allein? Wien erarbeitet ein Viertel der Wirtschaftsleistung ganz Österreichs und wird regelmäßig zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt. Was will man mehr? Zum Beispiel eine effizientere Bürokratie und zusätzliche Infrastukturinvestments. HARALD KOLERUS Credits: beigestellt „Die Wiener Stadtregierung hat in den letzten Jahren im Rahmen der Smart City-Ziele wichtige Impulse Richtung Digitalisierung und Industrie 4.0 gesetzt.“ Andreas Lehner, Geschäftsführer Österreichisches Wirtschaftsmuseum REALE BRUTTOWERTSCHÖPFUNG: WIEN „GEGEN“ ÖSTERREICH WIEN ÖSTERREICH Veränderung gegenüber dem Vorjahr 2008 + 1,2% + 1,6% 2009 - 2,9% - 4,3% 2010 + 0,7% + 2,0% 2011 + 1,3% + 3,0% 2012 - 0,8% + 0,8% 2013 + 1,1% + 0,5% 2014 + 0,0% + 0,3% 2015 + 0,5% + 0,8% 2016 + 2,4% + 2,0% 2017 + 1,4% + 2,6% 2018 + 2,2% + 2,6% 2019 * + 1,5% + 1,6% 2020 * - 4,1% - 6,7% *Prognose / Quelle: WIFO 18 . GELD-MAGAZIN – November 2020

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