GELD-Magazin, Oktober 2020

ZUR PERSON Prof. Ewald Nowotny wurde 1944 in Wien geboren, der Volkswirt lehrte unter anderem an der WU Wien und war politisch für die SPÖ aktiv (1978 bis 1999 Abgeordneter zum National- rat). Vom 1. September 2008 bis zum 31. August 2019 stand er als Gouver- neur an der Spitze der Oesterreichi- schen Nationalbank. Von 2006 bis Ende 2007 war Nowotny Generaldi- rektor der BAWAG P.S.K. Die EU hat richtig reagiert: Die Union und die einzelnen Staaten, auch Österreich, wa- ren bereit, massive finanzielle Anstrengun­ gen zu leisten. So ist auch der mit 750 Milli- arden Euro ausgestattete „Europäische Kon- junkturfonds“ (Next Generation European Recovery Fund, Anm.) positiv zu sehen. Es geht meiner Meinung nach alles in die rich- tige Richtung. Aber würden zu großzügige Unterstüt- zungen einige nicht lebensfähige Unter- nehmen künstlich über Wasser halten? Ich halte diese grassierende Diskussion über sogenannte „Zombie-Firmen“ für fehl- geleitet und nicht relevant. Es ist jetzt wich- tig, das „Medikament“ wirken zu lassen und nicht zu früh abzusetzen, um diesen Ver- gleich aus der Medizin zu bemühen. Denn es ist nun entscheidend, alle Hebel in Bewe- gung zu setzen, um wirtschaftliche Einbrü- che zu verhindern. Zu nennen ist auch das Pandemic Emergency Purchase Programme, also das Wertpapierankaufprogramm des Eurosystems, um den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie entgegenzuwirken. Wenn aber jetzt – und bereits seit Jahren – unendlich viel Kapital „ins System“ ge- pumpt wird, müsste doch die Inflation deutlich ansteigen. Oder doch nicht? Das ist eine zu vereinfachte Darstellungs- weise. Die Ausweitung der Geldmenge allei- ne schafft noch keine Inflation. Nur wenn es zu massiv höherer Nachfrage kommt, die das Angebot übersteigt, sehen wir Inflation. Diese Perspektive haben wir aber derzeit nicht, sondern eine niedrige Nachfrage. Und daran wird sich wohl auch in den näch- sten zwei bis fünf Jahren nichts Entschei- dendes ändern. Aber natürlich müssen die Notenbanken auf die Inflation achten, was sie auch tun. Auch wenn die Inflationsängste vielleicht übertrieben sind: Machen nicht die ho- hen Defizite im Zuge der Krisenbekämp- fung Sorgen? In Zeiten dieser schweren Pandemie ist es der richtige Weg, mit Defiziten entgegenzu- wirken. Wenn sich die wirtschaftliche Lage wieder verbessert, kommt es automatisch aus dieser Dynamik heraus zu einem Absin- „Das Bankensystem steht nach der Finanzkrise heute deutlich solider da“, so Prof. Dr. Ewald Nowotny ken der Verschuldungs-Quote. In Österrei- ch, Deutschland und anderen Ländern ha- ben wir dieses Bild nach der Finanzkrise be- obachten können. Ich bin jetzt nicht gerade ein „Fan“ von hohen staatlichen Defiziten, in der gegenwärtigen Situation sehe ich sie aber nicht kritisch. Ich möchte sie als das „kleinere Übel“ bezeichnen. Sie haben die Krise von 2008 angespro- chen: Wurde seither genug getan, um das Finanzsystem robuster zu gestalten? Das Bankensystem steht durch die seither gesetzten Maßnahmen deutlich stabiler da. In Österreich ist das Eigenkapital der Ban- ken heute doppelt so hoch als vor der Krise; auch die CEE-Aktivitäten der heimischen Banken wurden auf eine solidere Basis ge- stellt. Außerdem wurde mit dem Verbot von neuen Fremdwährungskrediten eine mas- sive Gefahr beendet. Die Reformen haben also gewirkt, vor allem Österreich steht gut da. International betrachtet haben einige Staaten noch Nachholbedarf. www. oegfe.at Oktober 2020 – GELD-MAGAZIN . 9

RkJQdWJsaXNoZXIy MzgxOTU=