GELD-Magazin, Oktober 2020

„Die EU hat richtig reagiert“ E r hat sich als Wirtschaftswissen- schafter, Gouverneur der Österrei- chischen Nationalbank und Krisen- manager bei der BAWAG einen guten Na- men gemacht: Ewald Nowotny. Im Ge- spräch mit dem GELD-Magazin verrät er: „Die Zeit bei der BAWAG war wohl die an- strengendste Zeit meines Lebens, aber auch ein schönes Erlebnis. Nämlich mit meinem Team an der Rettung einer großen Bank mit vielen tausenden Sparern zu arbeiten, was ja erfreulicherweise gelungen ist.“ Heute ist Nowotny Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den europäischen Ge- danken weiterzutragen. Und natürlich beo- bachtet er die wirtschaftspolitische Ent- wicklung in- und und außerhalb Österrei- chs weiterhin haargenau. Der bisherigen Bekämpfung der Corona-Wirtschaftskrise stellt er ein gutes Zeugnis innerhalb der EU aus. Den Brexit bedauert Nowotny natür- lich, alles in allem stehe die EU aber stärker da, als in der Vergangenheit. Die Österreichische Gesellschaft für Eu- ropapolitik (ÖGfE) ist wahrscheinlich nicht jedem unserer Leser ein fixer Be- griff. Können Sie deren Aufgaben und Vorgehensweisen kurz vorstellen? Kurz zusammengefasst informiert die ÖGfE über europäische Integration und steht für einen offenen Dialog über aktuelle europa- politische Fragen und deren Relevanz für Österreich. Sie erstellt und veröffentlicht Policy Briefs, also Analysen zu europä- ischen Themen und leistet ebenso Informa- tionsarbeit an Schulen. Eine Wanderaus- stellung wurde ins Leben gerufen und na- türlich liegt uns auch die akademische Welt am Herzen. Eine institutionalisierte Bera- tung der politischen Entscheidungsträger findet hingegen nicht statt, aber natürlich können auch Politiker unser Info-Angebot nutzen. Gegründet wurde die Gesellschaft anlässlich der heimischen Abstimmung zum EU-Beitritt von den Sozialpartnern und der OeNB. Nach der Euphorie der Abstimmung und des Beitritts wollen wir den Europa-Ge- danken weiterführen, was bekanntlich nicht immer ganz einfach ist. Die EU scheint ja tatsächlich zu bröckeln: Brexit und Uneinigkeit, nicht nur in der Flüchtlingsfrage, dominieren das Bild. Für die Union ist der Brexit natürlich ein deutlicher Verlust, immerhin verlieren wir hier die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU. Andererseits haben die Probleme des Brexit gezeigt, wie schwierig und kostspielig ein Ausscheiden ist. Ich meine deshalb, dass der Zusammenhalt der übrigen EU durch den Austritt Großbritanniens gefördert wurde. Allerdings selbstverständlich zu einem sehr hohen Preis. Wie verändert nun das allesbeherr- schende Thema Corona die EU politisch? Die Pandemie hat gezeigt, wie bedeutend der europäische Binnenmarkt und die Sicher­ heit der Vorleistungen und Absatzwege ist. Wichtig war im Sommer die Verabschie- Warum hohe Defizite in Zeiten der Pandemie gerechtfertigt sind, und warum die Diskussion über Zombie-Unternehmen fehlgeleitet ist, erklärt der renommierte Ökonom Ewald Nowotny. HARALD KOLERUS China wird am Ende des Tages am besten aus der Corona-Krise herauskommen. dung des EU-Budgets für die nächsten sie- ben Jahre mit einem Volumen von 1100 Milliarden Euro. Tatsächlich ist die Union heute politisch und wirtschaftlich stärker aufgestellt als noch vor ein paar Jahren. Historisch sehen wir eine deutlich positive Entwicklung: Die EU wurde ja als Gemein- schaft für Kohle und Stahl von sechs Staa- ten gegründet, seither wurde sie massiv ausgeweitet. Damit folgt man nicht zuletzt dem Plan der Gründerväter, zunächst wirt- schaftliche Schritte zu setzen, um sich dann auch politisch näherzukommen. Dass jetzt zum ersten Mal auch eine gemeinsame Schuldenaufnahme beschlossen wurde, ist so ein Schritt in die richtige Richtung. Bleiben wir bei Covid-19: Die wirtschaft- lichen Folgen sind schwer absehbar, wie sehen Sie die Konsequenzen? Unter einem globalen Blickwinkel gesehen, wird China am Ende des Tages am besten aus der Krise herauskommen. Die USA wer- den, fast unabhängig vom Wahlausgang, eine stärker nach innen ausgerichtete Poli- tik verfolgen. Diese Umstände und Corona machen es für Europa noch wichtiger, ge- meinsam aufzutreten. Was jetzt auch im wirtschaftlichen Bereich zu erwarten ist. In der EU herrscht bekanntlich zwischen dem Norden und Süden ein großer ökonomi­ scher Unterschied, hier ist es wichtig, eine gemeinsame Dynamik zu erreichen, wobei die bereits erwähnte gemeinsame Schulden­ aufnahme ins Spiel kommt. Alles in allem traue ich mir zu sagen, dass wir ab 2021/ 2022 wieder eine Phase des Wirtschafts- wachstums sehen werden. Wie sind Sie mit den bisherigen Krisen- Maßnahmen zufrieden? 8 . GELD-MAGAZIN – Oktober 2020 INTERVIEW . Ewald Nowotny, ÖGFE

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