GELD-Magazin, Oktober 2020

K aum eine Frage spaltet die Wirt- schafts- und Finanzwelt derzeit stärker, als jene nach der Entwick- lung der Inflation. Die einen sind überzeugt, dass die enormen geld- und fiskalpolitischen Stimuli im Kampf gegen die Coronakrise Volkswirtschaften weltweit auf den Kurs un- zähmbarer Inflationsgefahr (Hyperinflati- on) brachten, die anderen sind der Ansicht, dass die Maßnahmen zum Schutze der Be- völkerung die deflationären Tendenzen der vergangenen Jahre nur verstärkten. Die De- batte über Preisniveaus ist eine, die nicht nur Konsumenten, Arbeitgeber und Sozial- partner betrifft, sondern auch Pensionssy- steme bedroht, nationale Politiken beein- flusst und internationale Handelsrivalitäten befeuert. Bis zur endgültigen Beantwortung, ob und wie die massiven Geldspritzen die Teuerung beeinflussen, kann es jedoch Jah- re dauern. In der Zwischenzeit bleibt nur, die Lage zu beobachten und Argumente ab- zuwägen. Kurskorrektur Insbesondere die Zentralbanken als Hüter des Preisniveaus sind dieses Jahr aufgrund der zügellos anmutenden Ausweitung des Geldangebots besonders stark in die Kritik geraten. Erst vergangenes Monat verkündete die amerikanische Federal Reserve (Fed) medienwirksam, dass die Zinssätze solange nahe null gehalten werden sollen, bis Voll- beschäftigung und eine moderate Inflations- rate über dem Zwei-Prozent-Ziel erreicht werden. Die Nachricht war eine Verfeine- rung des im August vorgestellten langfri- stigen geldpolitischen Rahmens, der darauf abzielt, Anleger davon zu überzeugen, dass die Zentralbank selbst bei Überschießen des langfristigen Inflationsziels die Zinssätze nicht notwendigerweise erhöhen wird. Ihren eigenen Prognosen zufolge dürfte dies frü- hestens im Jahr 2023 der Fall sein, was den Spielraum bei gegenwärtigen Zinsen nahe null für die nächsten zwei Jahren stark ein- schränkt. Eine überzeugende Einbeziehung der Erwartung der Anleger würde in der Tat zusätzliche monetäre Impulse verschaffen. Unter Zugzwang Dieses Signal setzt jedoch auch andere Wäh- rungshüter unter Druck, da ein günstigerer Dollar die Inflation in anderen Ländern be- einflusst. Francois Villeroy Galhau, Gouver- neur der Banque de France, appellierte da- her kürzlich dafür, auch im Euroraum das Inflationsziel anzupassen. Die derzeitige De- finition von unter, aber nahe zwei Prozent werde oft fälschlicherweise als Obergrenze interpretiert, die automatisch eine straffere Politik auslösen würde. Kommentare wie diese sind nur die jüngste Salve in der aktu- ellen strategischen Neuausrichtung der EZB – der ersten seit 2003. Diese ist nötig, da ein BRENNPUNKT . Inflation Geist aus der Flasche Die zweite Welle der Corona-Pandemie hat gerade erst begonnen und schon machen sich weitere dunkle Wolken am Horizont breit. Die Angst vor unkontrollierbarer Inflation treibt Anlegern Sorgenfalten auf die Stirn. Doch wie real ist die Gefahr? MORITZ SCHUH Credits: Wikipedia/DAVID ILIFF; commons.wikimedia/governo.it; ECB „Wir sollten prüfen, ob die aktuelle Formulierung des Inflationsziels die Möglichkeit eines Überschießens in Frage stellt.“ Francois Villeroy Galhau, Gouverneur der Banque de France 10 . GELD-MAGAZIN – Oktober 2020 Die Geldmenge steigt in den USA und in Europa stark an ... Notenbanken weltweit schafften dieses Jahr so viel frisches Geld wie nie zuvor. Ob und welche Auswirkungen dies auf das allgemeine Preisniveau haben wird, ist derzeit noch umstritten. Quelle: tradingeconomics.com in Billionen 10 11 12 13 14 15 16 17 18 2016 2017 2018 2019 2020 EU GELDMENGE M2 US GELDMENGE M2

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