GELD-Magazin, Juli/August 2020

80 . GELD-MAGAZIN – September 2020 noch vor Inkrafttreten des COVID-19-Maß- nahmengesetzes angeordnet. Glück gehabt haben auch Betriebe in Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Kärnten, weil dort erst elf bzw. 15 Tage nach Einführung des COVID- 19-Gesetzes das Epidemiegesetz aufgeho- ben wurde. Für alle Betriebe, die nicht nach dem Epidemiegesetz geschlossen wurden, gibt es jedoch keine Deckung aus Sicht der Versicherer. „Der entscheidende Punkt in der Betriebsun- terbrechungsversicherung ist, dass es stets um den individuellen Betrieb geht“, so Chri- stoph Zauner, Leiter der Retail und Corpo- rate Abteilung der Generali Österreich. Das bedeutet, dass die Betriebsunterbrechungs- versicherung nur dann gelte, wenn der Ver- sicherte selbst krank wird oder wenn von dem Betrieb eine Seuchengefahr ausgehe. Weiters erklären die Versicherungen ihre Vorgangsweise damit, dass Extremereignisse wie Pandemien und Kriege keine kalkulier- baren Risiken darstellen, und daher auch nicht gedeckt seien. Die Einstufung von CO- VID-19 als Pandemie zusammen mit der Ein- führung des Betretungsverbotes durch das COVID-19-Maßnahmengesetz führten damit dazu, dass Einkommensverluste durch eine Seuchen-BU nicht gedeckt waren, so die Ar- gumentation der Versicherungen. Für viele Makler stellt sich dabei die Frage nach der Fairness. Es sei nicht nachvollzieh- bar, warum ein Hotelbetrieb in Wien, der aus demselben Grund geschlossen wurde wie ein Betrieb in Kärnten, von den Versi- cherungen mit 15 Prozent abgespeist wird, während jener in Kärnten zu 100 Prozent entschädigt wird, nur weil dort die gesetz- liche Grundlage eine andere war. Der Kla- genfurter Versicherungsmakler Franz Ahm verstehe zwar „die Sichtweise der Versiche- rungen“, gibt aber zu bedenken, dass es in den BU-Verträgen Formulierungen gibt, „bei denen Versicherte auch im COVID-Fall Deckung erwarten könnten. Aber nun sagen die Versicherer, die Formulierung war so nicht gemeint. Wenn aber ein Versicherer Bedingungen schreibt, dann sind diese im- mer zu Lasten desjenigen auszulegen, der sie ungenau formuliert.“ Rudolf Mittendor- fer, stellvertretender Fachverbandsobmann der Versicherungsmakler, meint gar in einem Gespräch mit dem Magazin „Versi- cherungsmakler“: „Es droht der Gerichts- saal als Ort der Kommunikation.“ Einen Dämpfer erhielt die Hoffnung der Makler jedoch durch ein Gerichtsurteil in Deutschland. Ähnlich wie hierzulande ha- ben die deutschen Versicherungen ihren Kunden den Versicherungsschutz nach den behördlichen Betriebsschließungen auf- grund des Coronavirus verwehrt. Nun gab das OLG Hamm den Versicherern recht, zu- mindest bei solchen Verträgen, in denen die abgedeckten Risiken konkret aufgelistet werden. Der Wortlaut „nur die im Fol- genden aufgeführten“ verdeutliche dem für die Auslegung maßgeblichen „durchschnitt- lichen Versicherungsnehmer“, dass der Ver- sicherer eben „nur“ für die benannten Ri- siken einstehen wolle. Solch eine klare For- mulierung fehle jedoch in den österreichi- schen Versicherungsverträgen, wenden die österreichischen Makler ein. Pragmatischer Ansatz In der täglichen Praxis des Versicherungs- maklers ergibt sich aus der Gemengelage ein pragmatischer Zugang, wie Ahm erklärt. Viele seiner Kunden sind Selbstständige und Freiberufler mit einer „kleinen BUFT- Versicherung“. „Wir stellen die staatlichen Leistungen plus die 15 Prozent der Versi- cherungsleistung dem gegenüber was der Kunde aus der BUFT wegen Unterbre- chungsschaden bekommen hätte.“ In einem Fall bekam sein Kunde durch die Hilfstöpfe des Staates inklusive freiwilliger Zahlungen der Versicherungen 4.900 Euro. Mit dem Tagsatz der BUFT wäre der Kunde auf 5.400 Euro gekommen. „Die Rechnung ist die Ent- scheidungsgrundlage für den Kunden, ob er das sichere Geld annimmt, oder auf den hö- heren Betrag klagen will, inklusive dem Pro- zessrisiko, welches damit verbunden ist.“ Hinzu kommt, dass die Rechtsschutzversi- cherung in solchen Fällen meist aussteigt, gibt Ahm weiters zu bedenken. Die Akzep- tanz der Kunden für das freiwillige Angebot der Assekuranzen ist hoch, erklären die Ver- sicherungen. Klagen gibt es demnach nur in Einzelfällen. Credit: Christoph Zauner: Generali/Lukas Lorenz, beigestellt In den BU-Verträgen gibt es Formulierun­ gen, bei denen Versicherte auch im COVID-Fall Deckung erwarten könnten. Franz Ahm, Versicherungsmakler Der entscheidende Punkt in der Betriebs- unterbrechungsver­ sicherung ist, dass es stets um den indivi­ duellen Betrieb geht. Christoph Zauner, Generali Österreich LEISTUNG PREMIUM CLASSIC BASIC Krankeit Ja Ja – Infektionskrankheiten Ja Ja – Seuchen-Epidemien Ja Ja – Unfall Ja Ja – Dread Disease Ja Ja Ja Einbruch Ja – – Feuer Ja – – Leitungswasserschaden Ja – – Naturgewalten Ja – – Entbindungspauschale 1.100,- € – – Jährl. Prämie (in €) 1.740,90 1.480,00 237,30 BEISPIEL BUFT: CAFEHAUS-BESITZER, 30 JAHRE, 14 TAGE KARENZ, VERS.-SUMME: 64.000 EURO Quelle: Wiener Städtische: Dread Disease sind schwere Erkrankungen wie Schlaganfall, Krebs, Nierenversagen, die taxativ im Vertrag aufgelistet sind

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