GELD-Magazin, Juli/August 2020

„Lange, schwere Krise“ D as herrschende ökonomische Re- gime müsse sich ändern, meint der Linzer Wirtschafts- und Kul- turwissenschafter Walter Ötsch. Denn etwa die Börsenwelt sei extrem anfällig für Schocks und Krisen, vielleicht drohe der nächste empfindliche Crash noch heuer. In der realen Wirtschaft würden hingegen die Armen ärmer und die Reichen immer rei- cher. Tendenz weiter steigend. Gleichzeitig hat sich die ökologische Problematik zu ei- ner immensen Bedrohung aufgebaut, so der Ökonom, der an der Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung lehrt. Lösungs- möglichkeiten gebe es bereits zur Genüge, es fehle allerdings an der politischen Partei bzw. Bewegung, die diese auch umsetzen wolle. Ötsch hat auch eine Reihe auf- schlussreicher Bücher veröffentlicht, darun- ter zum Beispiel „Populismus für Anfänger. Anleitung zur Volksverführung“. Als eine weitere Gefahr für unsere Gesellschaft macht er nämlich auch den wachsenden Rechtspopulismus aus. Wie stark fällt die Belastung der Welt- wirtschaft durch Covid-19 tatsächlich aus. Lässt sich der Schaden überhaupt in seriöse Zahlen gießen? Als wichtigste anerkannte Kennziffer gilt das reale Wirtschaftswachstum, dazu gibt es viele Prognosen, etwa von der OECD oder vom IWF. Gemeinsam haben diese Analysen, dass sie bis Juli immer düsterer geworden sind. Die OECD spricht etwa von einem globalen Konjunktureinbruch von 5,3 Prozent, der IWF von 4,1 Prozent. Wo- bei die Zahlen für die Eurozone im interna- tionalen Vergleich besonders negativ aus- fallen. Innerhalb derer sind Spanien, Frank- reich, Italien und Großbritannien am stärk- sten betroffen. Wobei man hinzufügen muss, dass die Prognosen noch schlechter ausfallen, wenn davon ausgegangen wird, dass im Herbst ein weiterer großer Shut Down kommen wird. In diesem Fall rechnet etwa die OECD mit einem Einbruch der Wirtschaft in Spanien von 11 bis 13 Prozent. Wie schätzen Sie nun die Situation ein? Ohne Zweifel haben wir so einen ökono- mischen Einbruch seit rund 100 Jahren nicht mehr gesehen. Es ist zu befürchten, dass wir mit einer langen und schweren Kri- se konfrontiert sein werden. So war zum Beispiel bereits jetzt die drastische Erschüt- terung des Arbeitsmarktes beispiellos. Welche Möglichkeiten gibt es jetzt, um gegenzusteuern? Die zwei traditionellen Bereiche dafür bie- ten die Fiskal- und die Geldpolitik. Was die Das gegenwärtigeWirtschaftssystem sei von strukturellen Mängeln geprägt, wobei die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergehe, meint derWissenschafterWalter Ötsch. HARALD KOLERUS Prof. Walter Ötsch: „Wir sehen den größ- ten Einbruch der Wirtschaft seit rund 100 Jahren“. 8 . GELD-MAGAZIN – September 2020 INTERVIEW . Walter Ötsch, Ökonom und Historiker

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