GELD-Magazin, Juli/August 2020
September 2020 – GELD-MAGAZIN . 79 terreichischen Versicherungsverbandes (VVO) auf ein Kulanzangebot, dass sie Ende April an ihre Kunden weiterreichten. Sie bo- ten ihren Kunden mit bestehender BUFT (Betriebsunterbrechungsversicherung für freiberuflich Tätige) oder Seuchenbetriebs- unterbrechungsversicherung an, freiwillig 15 Prozent einer Tagesentschädigung für die Dauer von 30 Tagen zu zahlen, dabei musste der Kunde unterschreiben, dass er keine weiteren Ansprüche aus der Seuchen- betriebsunterbrechungsversicherung erhe- be. Der zugrundeliegende Gedanke der Ver- sicherer für diese Vorgehensweise war fol- gender: Die staatlichen Fördermaßnahmen, der Härtefallfonds oder ein Fixkostenzu- schuss würden im Durchschnitt 70 Prozent der erlittenen Einbußen ausgleichen. Die als freiwillige Leistung von den Versicherern bezeichnete Leistung sollte die Hälfte des nach Inanspruchnahme der Staatshilfe ver- bleibenden Ausfalls abdecken. „Insgesamt ergibt sich für die Versicherer nur ein kon- kretes Szenario, das klar gedeckt ist, und zwar, wenn ein Mitarbeiter an COVID-19 er- krankt“, erklärt Arno Schuchter, Vorstands- mitglied der Generali Österreich, in einem Interview mit dem Versicherungsmakler. In diesem Fall entschädigt die BU-Versiche- rung in vollem Umfang. In allen Fällen, wo das Betretungsverbot aufgrund des COVID- 19-Maßnahmengesetzes erfolgte, gibt es das Kulanzangebot der Versicherer. Bei all jenen wiederum, die ihren Beruf weiter aus- üben konnten und nicht vom Betretungsver- bot betroffen waren, wie z.B. Rechtsanwäl- te, Ärzte, Makler, Psychologen, gibt es kei- nen Versicherungsfall und daher auch eine Ablehnung, wie Schuchter erklärt. Versicherer versus Makler Sehr kontrovers wird die Seuchen-BU disku- tiert, die viele KMUs und Hotelbetriebe als zusätzlichen Baustein zur BU abgeschlossen haben. In diesen Verträgen werden explizit behördliche Schließungen aufgrund des Epidemiegesetzes als Versicherungsfall auf- geführt. So wurde mittels Verordnung in ei- nigen Skigebieten die Schließung sämt- licher Seilbahnen- und Beherbergungsbe- triebe aufgrund des Epidemiegesetzes Wie sehen die Makler die Kulanzregelung der Versicherer bei der BU? Auch wenn die Versicherungsunternehmen meinen, es handle sich bei der „freiwilligen Hilfe“ um ein sehr faires Angebot, ist für uns diese Vorgangsweise so nicht in Ordnung. Hier sehen wir eine seltene Einigkeit der Versicherer, die aus unserer Sicht im Versicherungsverband sonst so nicht gegeben ist. Gerade jetzt hätte man beweisen können, dass das oft schlechte Image der Versicherungsbranche zu Unrecht besteht. Aber genau dann, wenn es um Lei- stung geht, wird versucht, sich aus der Verantwor- tung zu stehlen. Umso mehr, als mit Annahme dieser Leistung bei den meisten Versicherungsunterneh- men ein Verzicht auf weitere Ansprüche aus der Seu- chen-BU verbunden ist. Was können die Kunden dann machen bzw. wie sind Ihre Erfahrungen damit? Für uns ist interessant, dass manche Versicherun gen, die ursprünglich 15 Prozent der vereinbarten Versicherungssumme als Entschädigung angeboten haben, nach unserer Intervention bereit waren, 30 Prozent zu zahlen. Dies aber leider meist in Fällen, wo es sich nicht um riesige Beträge gehandelt hat. Wie gehen ihre Kunden mit der Regelung der Versicherer um? Manche trifft es nicht so schlimm. Aber z.B. für ei- nen Kunden mit drei Hotels in Wien, der keine Ein- künfte, keine Gäste hat, für den geht es schlicht um die Existenz. Da sind wir noch in Verhandlung und hoffen auf eine Einigung. Sollte diese nicht gelingen, müssen wir in diesem konkreten Fall unserem Kun- den raten, zu klagen, und würden ihn dabei finanzi- ell unterstützen, weil uns die Angelegenheit einfach ein Anliegen ist. Wurde in Deutschland nicht gerade eine ähnlich gelagerte Klage abgewiesen? Ja, in Deutschland ist leider ein Urteil ergangen, das unseren Vorstellungen nicht entspricht. Jedoch ging es hier um einen Wortlaut in den Verträgen, der in den heimischen Polizzen so nicht vorkommt. Wir se- hen die Sachlage daher anders, ein erstes Urteil wäre daher notwendig, um Klarheit zu bekommen. Auch wenn bei der österreichischen Rechtsprechung im Versicherungsbereich oft auf die deutschen Urteile geblickt wird. Sind bereits Prozessfinanzierer amWeg, um Klagen zu erleichtern? Derzeit noch nicht. Das deutsche Urteil hat wahr- scheinlich auch dazu beigetragen, dass die Finanzie- rer die Erfolgsaussichten derzeit nicht so hoch ein- schätzen wie wir und einige unserer Kollegen. Wir hören aber, dass abseits davon bereits Sammelkla- gen in Vorbereitung sind. Sascha Fleischacker, Geschäftsführer der VDSF . INTERVIEW „Manche Versicherun gen haben nach unserer Intervention 30 Prozent statt 15 Prozent als Entschädigung bezahlt.“ FOTO: Sascha Fleischacker; Freedomz/stock.adobe.com
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