GELD-Magazin, Juli/August 2020
Wie gefährlich kann es werden? „Wir erwarten in Ländern wie Österreich und Deutschland keinen unkontrollierten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen, da die sehr umfangreichen staatlichen Unterstüt- zungsmaßnahmen ausreichen sollten, um den Großteil der Unternehmen er- folgreich durch die Krise zu begleiten. Man muss aber stark nach Branchen differenzieren, und Banken, die z.B. hohe Engagements in den Touristik- oder Transportbranchen, in Teilen des Erdölsektors oder zu Non-Food Retai- limmobilien aufweisen, werden wahr- scheinlich mit höheren Ausfällen kon- frontiert“, schätzt Patrick Rioual, Senior Director bei Fitch, die Situation ein. Die Experten der OeNB beziffern die Exposure der Banken in den von COVID-19 besonders betroffenen Branchen mit knapp zehn Prozent des gesamten Kreditvolumens: „Sollte die COVID-19-Krise nur bei stark betrof- fenen Branchen zu einem Anstieg der notleidenden Kredite führen, wäre der resultierende Wertberichtigungsbedarf im Vergleich zum Gewinn des Gesamt- bankensektors eher gering. Sollte sich die Kreditverschlechterung jedoch auf alle Branchen ausweiten, so könnte dies die Profitabilität der Banken si- gnifikant belasten. Eine Verdoppe- lung der NPLs (faulen Kredite) könnte zum Beispiel Wertberichtigungen in Höhe von knapp zwei Dritteln des Ge- winns von 2019 zur Folge haben.“ tur Fitch: Die konsolidierte NPL-Quote des österreichischen Bankensystems hat im letz- ten Kreditzyklus einen Höchstwert von über 8,5 Prozent (2012/2013) erreicht, vergli chen mit 2,2 Prozent per Ende 2019 und wahrscheinlich kaum verändert per Ende Juni 2020. Der Höchststand 2012/2013 war aber sehr stark von Osteuropa getrie- ben, wo die NPL-Quoten in beiden Jahren einen Höchstwert von 14 Prozent erreicht haben vs. weniger als fünf Prozent im öster- reichischen Inland. Wir gehen in der aktu- ellen Krise von deutlich niedrigeren Werten aus, da aus unserer Sicht ein niedrigeres Ri- siko aus Osteuropa hervorgeht.“ Positive Entwicklungen: Seit 2012/13 hat der hei- mische Bankensektor sein Exposure zu Ost- und Zentraleuropa deutlich gekürzt, insbe- sondere seitdem die Bank Austria ihr CEE- Portfolio an die UniCredit übertragen hat. Zudem haben sich die wirtschaftlichen Rah- menbedingungen in CEE strukturell verbes- sert. Und Rioual ergänzt: „Unsere durch- schnittlichen „stand-alone“ Bankratings in Deutschland und Österreich sind aktuell im niedrigen ‚a‘ bzw. im hohen ‚bbb‘ Bereich, also solide in der Investment-Grade-Katego- rie. Dies spiegelt unsere Erwartung wider, dass die gerateten Banken in beiden Län- dern solide genug aufgestellt sind, um die Krise aus eigener Kraft zu überstehen.“ Warum die Risikovorkehrungen? Bereits im ersten Quartal ahnten die Ban- ken „Schlimmes“: „Laut Europäischer Ban- kenaufsicht (EBA) stiegen die „costs of risk“ – die neu gebildeten Risikovorsorgen in Pro- zent des Kreditvolumens – in Österreich auf 0,5 Prozent. Das ist bereits doppelt so hoch wie der Durchschnitt der letzten beiden Jahre“, so ein Statement der Österreichi- schen Nationalbank (OeNB). Und Rioual präzisiert: „Bei den drei österreichischen Großbanken Erste Group Bank, RBI und Ba- wag ist die kumulierte Neubildung von Wertberichtigungen von einer minimalen Auflösung im niedrigen einstelligen Millio- nenbereich im ersten Halbjahr 2019 auf eine Nettobildung von 1,1 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2020 gestiegen“ und er relativiert: „Ein Großteil dieses starken An- stiegs ist auf sogenannte modellbezogene Anpassungen zurückzuführen, d.h. rein vor- sorgliche Wertberichtigungen, die nicht von einer tatsächlich festgestellten Verschlech- terung der Kreditqualität verursacht wur- den. Ein ähnlicher Trend zur Nutzung von Modellanpassungen kann in ganz Europa beobachtet werden.“ Allerdings hat sich das Geschäftsumfeld verschlechtert und das Auslaufen der Corona-Stützungsmaßnah men könnte vor allem in gefährdeten Bran- chen zu einem Anstieg der Ausfallsquoten führen. Fazit: Unsicherheit bleibt. „Die FMA vertritt im Einklang mit den europäischen Aufsichtsinstitutionen wie EZB und EBA die Ansicht, dass alle Ressourcen darauf kon- zentriert werden müssen, gemeinsam diese schwierige Lage zu meistern. Es geht jetzt darum, die Realwirtschaft zu stützen und genügend Finanzmittel bereitzuhalten, und möglichst rasch einen Aufschwung auf brei- ter Front zu finanzieren. Es ist jetzt nicht die Zeit, Dividenden auszuschütten sondern alle Ressourcen für die wirtschaftliche Er- holung zu mobilisieren“, so Grubelnik. Die Kreditinstitute verfügen mit rund 16 Prozent über die historisch höchste Eigenkapitalaus stattung, rund doppelt so hoch wie es vor der globalen Finanzkrise 2007/2008 war. FMA-Pressesprecher Klaus Grubelnik September 2020 – GELD-MAGAZIN . 29
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