GELD-Magazin, Juli/August 2020

D er bekannteste Wahlkampfslogan Joe Bidens lautet: „No More Ma- larkey!“ Übersetzt bedeutet das soviel wie: „Kein Geschwätz mehr!“, oder „Ende mit dem Geschwafel!“. Damit zielt er natürlich auf die kontoversielle Twitter-Poli- tik von Amtsinhaber Donald Trump und dessen, sagen wir, angespanntem Verhältnis zur Wahrheit ab. Laut Washington Post hat Trump in seiner bisherigen Präsidentschaft knapp 20.000 Mal die Unwahrheit verbrei- tet. Ein einsamer Rekord. Mr. Saubermann Biden setzt hingegen auf das Image des seri- ös arbeitenden, ehrlichen und erfahrenen Grandseigneurs der US-Politik. Seine Vita zeigt, dass es sich dabei um keinen „Fake“ handelt: Im Gegensatz zu Trump und vielen anderen US-Präsidenten nicht in eine schwer reiche Familie hineingeboren, schaffte es Biden (sein Vater war Autohänd- ler) zum Doctor Juris und arbeitete ab 1969 als Anwalt. Seine politische Karriere ist lang: 1970 wurde er in den Rat des New Castle County gewählt und von 1973 bis 2009 gehörte er dem Senat der Vereinigten Staaten an. Bisheriger Karriere-Höhepunkt: von 2009 bis 2017 war er unter Barack Oba- ma US-Vizepräsident. Natürlich ist Biden damit kein „Mann von der Straße“, also „Average Joe“, wie das in den USA genannt wird. Aber er entspricht diesem Bild in Wirklichkeit doch mehr als Trump, der ein Vermögen von über drei Milliarden Dollar angehäuft hat. Biden verfügt demgegenü- ber über rund neun Millionen Dollar, diese vergleichsweise bescheidene Summe stammt aus Pensionsansprüchen für seine öffentlichen Ämter, diversem Immobilien- besitz und dem Verkauf autobiografischer Bücher. Für kommerzielle öffentliche Auf- tritte soll er immerhin Honorare von 8.000 bis 90.000 Dollar lukrieren. Tragische Schicksalsschläge Erfolgreich, aber kein Milliardenerbe; ruhig und ehrlich, anstatt polternd und selbstver- liebt. Das bringt Bonuspunkte bei den Wäh- lern. Traurig aber wahr: Auch schwere Schicksalssschläge konnten die Sympathie- werte Bidens erhöhen. 1972 kamen seine erste Frau Neilia und die einjährige Tochter Naomi Christina bei einem Autounfall ums Leben. Sohn Beau Biden stirbt Jahrzehnte später im Alter von 46 Jahren an einem Hirntumor. Biden führt also auch eine sehr tragische Lebenserfahrung mit sich, ein BRENNPUNKT . Porträt: Joe Biden Kein Geschwätz mehr! Man sollte meinen, dass die Tage von Donald Trump als Präsident gezählt sind. Vor allem nach seiner haarsträubenden Corona-Performance. Gegenkandidat Biden glänzt aber nicht gerade mit Dynamik, das Rennen bleibt spannend. HARALD KOLERUS Joe Biden: Erfahren und seriös, aber - sein großes Manko - nicht mitreißend. Credit: Alamy 14 . GELD-MAGAZIN – September 2020

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