GELD-Magazin, Juli/August 2020

Wer davon profitiert Wenn die nationalen Parlamente und das Europaparlament dem Entwurf zustimmen, dann könnten die Zuschüsse bereits ab Jän- ner 2021 beantragt werden und nach Be- gutachtung der Kommission und Zustim- mung des EU-Rats bis zum Jahr 2026 an die Mitgliedsländer fließen. Details über die ge- naue Verteilung der Hilfen liegen bisher je- doch noch nicht vor, da die Ausschüttung an den durch die Pandemie verursachten wirtschaftlichen Schaden geknüpft sein wird. Da dies von den dies- und nächstjähri- gen Wirtschaftsdaten abhängig ist, ist noch nicht geklärt, wie viel die einzelnen Länder am Ende aus dem Fonds erhalten werden. Wenig überraschend dürfte vorläufigen Pro- gnosen zufolge jedoch Italien mit bis zu 80 Milliarden Euro vor Spanien und Frankreich zu den Hauptprofiteuren der Zuschüsse zählen. BRENNPUNKT . EU-Wiederaufbaufonds Vorteile Die Einigung könnte längerfristig nicht nur einen Präzedenz- fall für regelmäßige zwischenstaatliche Fiskalprogramme oder supranationale Steuern darstellen, sondern sich auch als bedeutsam für die fragmentierten Finanzmärkte der EU erweisen. Zum ersten Mal könnten gemeinsam besicherte Schuldtitel mit US-Staatsanleihen als sicherem Vermögens- wert konkurrieren und damit die Rolle des Euro gestärkt werden. Alle Anleihen könnten gegen ein gemeinsames Maß bewertet werden, was für Stabilität und Standardisierung sor- gen würde. Zusätzlich könnten die sinkenden Kreditkosten Ländern mit niedrigerer Bonität einen wirtschaftlichen Boost verleihen, denn Anleihen, die derzeit von hoch verschuldeten Ländern ausgegeben werden, werden aufgrund des Kreditrisikos mit einer hohen Prämie gehandelt. Diese Prämie wird an Ban- ken weitergeleitet, die sie dann an Unternehmen als Kredite weitergeben. Banken könnten jedoch von der EU unterstützte Vermögenswerte als Sicherheit verwenden, um Kredite an Unternehmen zu niedrigeren Zinssätzen zu vergeben. Ein sicherer Vermögenswert kann auch die Kosten für die Ausgabe von Staatsanleihen senken, da sie gegen ein vom gesamten Block gezeichnetes Wertpapier versichert wären. Dafür müssten jedoch Bedenken hinsichtlich der struktu- rellen Risiken und politischen Spaltungen zerstreut werden. Nachteile Kritiker orten zahlreiche Mängel in der Ausgestaltung der Hilfen. Eines der größten Probleme ist, dass der Umfang des Sanierungspakets verglichen mit dem Einbruch der Wirt- schaft durch die Corona-Pandemie schlicht zu klein ist. Die Zuschusskomponente des Fonds beträgt nur 2,8 Prozent des EU-BIPs im Jahr 2019. Selbst, wenn die Kredite und weitere Notfallpakete hinzugerechnet werden, erreicht die Gesamt- summe immer noch nur 6,1 Prozent – zu wenig, um den prognostizierten Abschwung von über 8 Prozent dieses Jahr auszugleichen. Schlimmer noch: Obwohl viele Mitgliedslän- der die finanzielle Unterstützung eigentlich sofort benötigten, werden die Mittel erst ab 2021 zur Verfügung stehen. Ein wei- terer Kritikpunkt ist die effiziente Mittelverwendung, die sich in manchen Ländern aufgrund tiefsitzenden Reformbedarfs als schwierig erweisen dürfte. Erst, wenn die Mitgliedstaaten ihre Reform- und Investitionspläne vorlegen und diese von der Kommission geprüft wurden, lassen sich die tatsäch- lichen Auswirkungen abschätzen. Zwar wurde ein Blockier- mechanismus eingeführt, der es einzelnen Mitgliedstaaten ermöglicht, Finanztransfers an andere Länder für bis zu drei Monate zu stoppen, wenn die gemachten Reformversprechen nicht erfüllt werden – dieser Mechanismus könnte in weiterer Folge jedoch erst recht einen Keil zwischen die Mitglieder treiben, der eine weitere Integration verhindern dürfte. Die Finanzierung ist noch unklar Ähnlich oder gar interessanter als die Frage der Verteilung, ist für die Märkte jedoch, wie die gemeinsamen Schulden wieder be- glichen werden sollen. Man einigte sich da- rauf, dass das geliehene Kapital bis späte- stens 2058 zurückgezahlt sein soll. Doch welche Mittel dafür herhalten sollen, ist bis jetzt nur vage konzipiert. Zwar umfasst der erlassene Beschluss einen Plan, die kollek- tive EU-Kasse mit „neuen Eigenmitteln“ auf Basis grüner und digitaler Steuern zu fül- len, mehr als eine Abgabe auf Plastikmüll und ein Fahrplan für die Ausarbeitung wei- terer Planentwürfe wurde bisher aber nicht beschlossen. Sollte in diesen Bereichen kei- ne weitere Einigung erzielt werden, droht das Abkommen, die nationalen Haushalte durch Beitragserhöhungen in Zukunft stark zu belasten. Dies könnte gerade die jetzigen Profiteure treffen, da die aktuelle Kompro- misslösung mit Beitragsreduktionen für Ös- terreich, die Niederlande, Schweden, Däne- mark, sowie Deutschland einherging. Ein erster Schritt zur Fiskalunion Obwohl die gemeinsame Kreditaufnahme in Größe, Dauer und Umfang eindeutig be- grenzt ist, wurde mit der Einigung ein Prä- zedenzfall für zukünftige Krisen geschaffen, der positive Signale an die Märkte sendet und die Fähigkeit zu antizyklischer Politik erhöhen könnte. Dazu müssen sich die Be- denken hinsichtlich der strukturellen Ri- siken und politischen Spaltungen im Block jedoch weiter zerstreuen. Die Priorisierung strategischer Investitionen gegenüber Spar- auflagen ist eine Chance für eine neue Art der Zusammenarbeit, die nun jedoch durch kohärente Richtlinien aus Brüssel und eine effiziente nationale Mittelverwendung auch genutzt werden muss. 12 . GELD-MAGAZIN – September 2020

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