GELD-Magazin, Juli/August 2020

E uropa: Ein Kontinent, der über 740 Millionen Einwohner zählt; die EU beherbergt 514 Millionen Men- schen und stellt somit die USA (328 Millio- nen) locker in den Schatten. Aber nicht nur Quantität sondern auch Qualität ist vorhan- den: Gute Unternehmen muss man nicht mit der Lupe suchen, der Sozialstaat und das Gesundheitswesen sind (mit regionalem Gefälle) stark ausgebaut. Auch hier schnei- den die Vereinigten Staaten, mit Blick auf Corona, schlecht ab. Aber dennoch will der „Alte Kontinent“ nicht so richtig vom Fleck kommen, vor allem was die Börsenkurse be- trifft. Woran hapert es, und wie könnte „Eu- ropa“ aufholen? Potenzial ausschöpfen Koen Bosquet, Senior Fund Manager Euro- pean Equities bei DPAM, setzt gleich beim Wesentlichen an: „Im Vergleich zu anderen Regionen hat Europa mehr Raum für ver- besserte politische Maßnahmen. Den Anle- gern wurde beigebracht, die Erwartungen zu mildern. Weil sich die Dinge in Europa langsam bewegen und die politische Land- schaft fragmentiert ist. Trotzdem hat sich der politische Hintergrund stetig verbessert. Zumindest führt dies zu einer Unterbre- chung der Underperformance der Regi- onen.“ Dabei sollten wir laut dem Experten nicht vergessen, dass Aktienmärkte- und In- dizes die jeweiligen Volkswirtschaften nicht perfekt widerspiegeln. Unterschiede in der Zusammensetzung der Benchmarks spielen eine wichtige Rolle. Europäische Indizes sind stärker in Banken engagiert, während die US-Pendants technologielastig sind. Bosquet: „Im Allgemeinen enthalten die Er- steren auch mehr, was wir als ,gestörte‘ Ge- schäftsmodelle bezeichnen. Aus diesem MÄRKTE & FONDS . Europa Oft unterschätzt Brexit: Ende mit Schrecken? Covid-19 hat die Prioritäten im Ver- einigten Königreich geändert. Es wächst die Besorgnis über ein Ende der Übergangsperiode für den Austritt Großbritanniens aus der EU. Stefan Keller, Senior-Stratege Multi Asset bei Candriam, kommentiert: „Ein ,dün- nes‘ Freihandelsabkommen, das bis Ende des Jahres abgeschlossen wer- den soll, ist eine realistische Annah- me. Ein Ende des Übergangs ohne Abkommen (oder einfach nur eine zunehmende Unsicherheit in Bezug auf ein Abkommen oder das Fehlen eines solchen Abkommens) würde vor allem die britischen Inlandsak- tien treffen.“Großbritannien bleibt bei Candriam leicht untergewichtet. Nachteile können zu Vorteilen werden, was gerade für Europa gilt. Wenn kleingeistige politische Streitereien einmal beigelegt werden, sollte sich der Kontinent auf seine Stärken besinnen. Die gibt es. HARALD KOLERUS Credits: Denys Rudyi/stock.adobe.com; beigestellt Innerhalb der Eurozone setzen wir auf Aktien, die von der Lockerung der EZB-Politik und der steuerlichen Entspannung profitieren. Solange Clermond, Candriam Portfolio Management Grund sehen die Gewinnwachstumsaus- sichten für US-Indizes mittel- bis langfristig weiterhin besser aus. Nur, wer aktiv in Euro- pa investiert, kann sich von diesem Nachteil lösen.“ StarkesWachstum Genau diese Philosophie, aktives Stock-Pi- cking, lebt man auch bei Comgest. Franz Weis, Teamleiter Europa-Aktien der Invest- mentschmiede, erklärt: „Wir konzentrieren uns in unserer Aktienauswahl ausschließ- lich auf Unternehmen mit überdurch- schnittlichem, lange anhaltendem und gut vorhersehbarem Gewinnwachstum, da dies langfristig der wichtigste Treiber der Akti- enpreise ist. Unser Ziel ist es, nur in Unter- nehmen zu investieren, die in der Lage sind, sehr dynamisches und vorhersehbares Wachstum zu generieren, ohne große Ri- siken in Kauf zu nehmen. Davon gibt es nicht viele und wir gehen sehr selektiv vor.“ Zu den Top-Werten gehörten laut dem Ex- perten der Arzneimittelhersteller Lonza, ge- tragen von der Ankündigung einer Verein- barung mit Moderna zur Produktion eines Covid-19-Impfstoffs, der Halbleiterprodu- zent ASML und der Triebwerkehersteller MTU. Weis: „Auch Experian konnte nach seinem starken vierten Geschäftsquartal und ermutigenden Umsatzzahlen, die da- rauf hindeuteten, dass die Auswirkungen durch Covid-19 geringer ausfallen, als be- fürchtet, deutlich zulegen.“ Im Comgest Growth Europe sind die Branchen Gesund- heit (25,4%) und Informationstechnologie (22%) stark gewichtet. Die Top-3-Positi- onen des Fonds sind aktuell: Roche Holding AG, der weltweit führende Konzern für bio- logische Arzneimittel zur Krebsbehandlung; Novo Nordisk, ein dänisches Pharmaunter- 38 . GELD-MAGAZIN – Juli/August 2020

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