GELD-Magazin, Juni 2020

A ktuellen Schätzungen der EZB zu- folge steht die Wirtschaft des Eu- roraumes um einiges schlechter da als noch vor ein paar Wochen erhofft. Zwi- schen 8 und 12 Prozent soll das Bruttoin- landsprodukt (BIP) dieses Jahr schrumpfen – ein Szenario, das wahrscheinlich niemand lieber vermieden hätte als die Währungshü- ter selbst. Nachdem durch den Ausbruch des Corona- Virus hunderttausende Unternehmen in ganz Europa zur Schließung gezwungen wurden und Millionen von EU-Bürgern in Kurzarbeit geschickt wurden, stand die EZB mit ihrem Notfallprogramm lange Zeit allei- ne an vorderster Front des Krisenmanage- ments. Über den Aufkauf von Anleihen ge- lang es ihr zwar, Kreditkosten zu senken und Regierungen einen fiskalischen Spielraum zu verschaffen, doch eine weitere Zuspit- zung der Lage wäre von der Zentralbank al- leine nicht mehr tragbar gewesen. HistorischeWende Umso größer dürfte dann die Erleichterung bei EZB-Chefin Christine Lagarde und ihrem Team ausgefallen sein, als wenige Stunden nach Bekanntgabe der trüben Wirtschafts- aussichten die Präsidentin der EU-Kommis- sion, Ursula von der Leyen, ein beispielloses Konjunkturpaket skizzierte. Der grobe Plan: 750 Milliarden Euro für Zuschüsse und Kre- dite sollen gemeinsam auf den Finanzmärk- ten geliehen und zwischen 2021 und 2024 an die Mitgliedstaaten verteilt werden. Län- dern wie Italien und Spanien, die am här- testen von der Krise getroffen wurden, sol- len davon den größten Anteil erhalten (sie- he Grafik unten). Die Rückzahlung an Inve- storen soll über den EU-Haushalt auf bis zu vier Jahrzehnte verteilt stattfinden. So ambitioniert das Paket auch klingen mag, allzubald wird sich die EZB auf das Backup jedoch nicht verlassen können. Wie immer bedarf es dafür der Zustimmung aller 27 BRENNPUNKT . EU-Wiederaufbaufonds Aufatmen in der EZB Die Verteilung der Gelder des neuen EU-Recovery Funds würde Ländern, die stärker von der Krise betroffen sind einen größeren Anteil zukommen lassen. Italien etwa würde nach dem derzeitigen Vorschlag 172,7 Milliarden Euro bekommen, Spanien 140,4 Milliarden Euro... „Recovery Fund“ im Detail Sanierungs- & Resilienzfazilität: 560 Mrd. Euro Zuschüsse und Darle- hen zur Unterstützung von Investitionen und Reformen in den Mitgliedstaaten. Kohäsionsfinanzierung: 55 Mrd. Euro Unterstützung der Ent- wicklung ärmerer Länder in der EU. Beteiligung an Unternehmen: 31 Mrd. Euro und private Investiti- onen in Höhe von 300 Mrd. Euro für ansonsten gesunde Unternehmen. Strategische Stärkung der EU: 15 Mrd. Euro und private Investi- tionen in Höhe von 150 Mrd. Euro , um die EU eigenständiger und wider- standsfähiger zu machen. Gesundheitsprogramme: 9,4 Mrd. Euro für Prävention, Krisen- vorsorge, Beschaffung lebenswichtiger Medikamente und Ausrüstung, sowie Verbesserung der langfristigen Ge- sundheitsversorgung. Just Transition Fund: 32,5 Mrd. Euro als Fonds zur Beseiti- gung von umweltschädigenden Ener- giequellen und CO 2 -Emissionen. Ländliche Entwicklung: 15 Mrd. Euro Rückzahlung über hö- here Haushaltsbeiträge und neue Ein- nahmequellen, wie Emissionshandel und Steuern auf digitale Unternehmen. Seit Jahren steht die EZB zur Stelle, wenn es in der EU brennt. Doch die Kritiker der ausufernden geldpolitischen Impulse wurden kontinuierlich lauter. Kann der langersehnte EU-Wiederaufbaufonds endlich Druck von der Zentralbank nehmen? MORITZ SCHUH Quelle: EU-Kommission Die schwierigen Fälle zuerst 0 50 Mrd.€ 100 Mrd.€ 150 Mrd.€ Kredite mit gemeinsamer Haftung der EU-Staaten Nichtrückzahlbare Zuschüsse Italien Spanien Polen Frankreich Griechenland Rumänien Deutschland Portugal Tschechien 81,8 77,3 37,7 38,8 22,6 19,6 28,8 15,5 8,6 90,9 63,1 26,1 9,4 11,6 10,8 10,6 172,7 140,4 63,8 38,8 32,0 31,2 28,8 26,4 19,2 8 . GELD-MAGAZIN – Juni 2020

RkJQdWJsaXNoZXIy MzgxOTU=