GELD-Magazin, Juni 2020

wie Konten-Produkte; sowohl für Geschäfts- als auch für Privatkunden. Die Umsätze stei- gen stetig zweistellig, seit 2006 von 82 auf 1488 Millionen im Jahr 2018. Markus Braun ist mit einer Beteiligung von sieben Prozent einer der größten Anteilseig- ner von Wirecard. Er hat das Unternehmen als strategischer Kopf und technologisches „Wunderkind“ in den vergangenen Jahren zu dem gemacht, was es heute ist. Nach einem Vorstandsumbau wird sich Braun nun vorwiegend um die Strategie und um die Technologie kümmern, im Vorstand soll eine neue starke Person fürs Tagesgeschäft und eine weitere für den Vertrieb installiert werden. Auch soll das für das Tagesgeschäft zuständige Ressort des Chief Operating Offi- cer in seinen Zuständigkeiten neu aufgestellt und unter eine neue Leitung gestellt wer- den. In der obersten Führungsebene wird zudem der Amerikaner James Freis, der von der Deutschen Börse kommt, durch ein hochrangig besetztes Compliance-Ressort die Einhaltung von Gesetzen und Regeln überwachen. Um die Transparenz zu erhö- hen, hat Wirecard angekündigt, die Praxis bei der Abwicklung zu ändern und vermehrt auch in Ländern Lizenzen zu beantragen, in denen das Unternehmen noch keine besitzt. Um die Transparenz solcher Drittpartnerge- schäfte zu verbessern, sollen sie über eine eigene Datenplattform laufen, damit Prüfer ihre Stichhaltigkeit gegenchecken können. Die Gegner formieren sich Fondsgesellschaften, die an Wirecard betei- ligt sind, wie Union Investment und Deka, fordern inzwischen offen den Rücktritt von Vorstandschef Markus Braun. Dabei droht Ärger an der juristischen Front: Die Rechts- anwaltskanzlei Tilp strengt eine Musterfest- stellungsklage gegen Wirecard an, womit die Firma nun auch den ersten deutschen Rechsstreit am Hals hat. Tilp verlangt Scha- denersatz wegen Fehlinformation des Kapi- talmarkts zwischen 2016 und 2020. Allein durch das Kommunikationsdesaster rund um die KPMG-Sonderprüfung sei zeitweise ein Börsenwert von mehr als fünf Milliarden Euro vernichtet worden. Die Vorgänge um die KPMG-Sonderprüfung hätten das Fass am Ende zum Überlaufen gebracht, ließen die Tilp-Anwälte durchblicken. Hedgefonds bringen sich in Stellung Die Nettoleerverkaufspositionen der gegen den Konzern wettenden Großspekulanten summieren sich derzeit auf über zehn Pro- zent des Grundkapitals. Dass sich u.a. der britische Hedgefonds TCI mit Leerverkaufs- positionen von aktuell 1,5 Prozent gegen Wirecard positioniert hat, sollte nicht unter- schätzt werden. TCI-Manager Christopher Hohn war es vor Jahren gelungen, den da- maligen Vorstandschef der Deutschen Börse, Werner Seifert, aus einer ähnlichen Position heraus aus dem Amt zu jagen. TCI ist also ebenfalls brandgefährlich für Braun und hat bei der Staatsanwaltschaft München Straf- anzeige gegen mehrere Wirecard-Vorstands­ mitglieder eingebracht. Doch auch Braun kann auf Großaktionäre setzen. So hat die US-Bank Goldman Sachs ihren Stimmrechtsanteil erst Ende Mai von 14 auf 16 Prozent ausgebaut. Zusammen mit Morgan Stanley, Citigroup und der Société Générale kontrollieren die „Braun- freundlichen“ Institute fast 40 Prozent der Stimmrechte. Braun selbst hält über sieben Prozent und hat zuletzt für knapp 2,5 Millio- nen Euro eigene Aktien gekauft. Im Dezem- ber, wenn der Vertrag von Braun ausläuft, könnte der langjährige Wirecard-Lenker je- doch seine ganze Macht verlieren – die Ver- tragsverlängerung steht auf der Kippe. Auf- sichtsratschef Thomas Eichelmann stelle mehrere Bedingungen dafür, schreibt das „Manager Magazin“. Die zwei wichtigsten: Erstens müssten die Wirtschaftsprüfer von EY dem Jahresabschluss 2019 ein uneinge- schränktes Testat geben. Zweitens müssen auch Probleme mit der Finanzaufsicht BaFin ausbleiben. Wirecard bleibt noch umstritten „Wirecard bleibt günstig bewertet, wenn die Finanzkennziffern vollständig und angemes- sen sind“, schrieb Analyst Stephane Houri von Oddo BHF. Sollten sich aber Unregelmä- ßigkeiten ergeben, hält er die Titel noch für zu teuer. Es sei daher zu früh, um sich ein- deutig positionieren zu können. Hinsichtlich der Existenz und Höhe der Umsatzerlöse aus den TPA- Geschäftsbeziehungen kann KPMG in Bezug auf den Untersuchungszeitraum 2016 bis 2018 weder eine Aussage treffen, dass die Umsatzerlöse existieren und der Höhe nach korrekt sind, noch die Aussage treffen, dass sie nicht existent und in der Höhe nicht korrekt sind. Der Zeitraum 2016 bis 2018 bleibt ein schwarzes Loch. NordLB Dass KPMG keine Gesamtbeurteilung ausgerechnet über das zuvor stark kritisierte Drittpartnergeschäft treffen konnte, werten wir sehr negativ. BayernLB KPMG hat 75 Prozent der Umsätze rechnerisch und auf Vertragskon- formität hin überprüfen können, weitere 12 Prozent sind auf Plausibilität geprüft worden. Dies deutet darauf hin, dass die Verbuchung des Großteils der Einnahmen auf korrekten Grundlagen beruht. Der Betrugsvorwurf sollte damit vom Tisch sein. Warburg Research Seit dem Hoch bei 197 Euro stürzte die Wire- card-Aktie durch eine Serie negativer Berich­ te bis auf 75 Euro ab. Shortseller schütten Öl ins Feuer und verdienen kräftig daran. AktienkursWirecard 30 EUR 2015 2016 2017 2018 2019 ´20 200 150 100 75 50 40 Juni 2020 – GELD-MAGAZIN . 63

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