GELD-Magazin, Juni 2020

sie schädlich, weil sie die ohnehin große Unsicherheit bei Konsumenten und Unter- nehmen erhöhen und die Konsum- und In- vestitionszurückhaltung verstärken würde.“ Somit rät die Expertin von Alarmismus ab und meint, dass das Hauptaugenmerk der Wirtschaftspolitik in der Förderung eines ökologisch nachhaltigen und sozial inklusi- ven Wachstums liegen sollte, sodass Öster- reich aus der Verschuldung „herauswach- sen“ kann. Nachhaltige Reform gefordert „Ein Konjunkturpaket, das stark auf öffentli- chen Investitionen in wichtigen Zukunftsbe- reichen beruht – insbesondere klimafreund- liche Infrastruktur, Bildung und Forschung sowie soziale Dienstleistungen, Stichworte Pflege und Kinderbetreuung –, kann einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung eines solchen nachhaltigen Wachstums leisten. Werden nach der Überwindung der Rezessi- on und bei der Rückkehr zu einem robusten Wachstum Konsolidierungsmaßnahmen ge- setzt, so sollten sie ausgabenseitig wichtige Zukunftsbereiche ausnehmen und die groß- en Reformbaustellen, z.B. Föderalismus und Fördersystem, adressieren“, rät Schratzen- staller. Steuerliche Konsolidierungsmaß- nahmen sollten dabei die bestehenden Un- gleichgewichte im österreichischen System berücksichtigen – das bedeutet die hohe Ab- gabenbelastung der Arbeit und die mode- rate Belastung mit umwelt- und vermögens- bezogenen Steuern. Auf die aktuelle Situati- on zurückkommend, meint die Expertin, dass Deficit Spending für Österreich recht gut zu schultern sei und verweist auf die komfortablen Rahmenbedingungen: Die Verschuldung der öffentlichen Hand ist in den letzten Jahren ständig zurückgegangen, auf etwa 70 Prozent des BIP; 2018 und 2019 wurden erstmals seit 1974 Überschüs- se erreicht. Gleichzeitig verschuldet sich Ös- terreich zu sehr günstigen Konditionen; die zur Finanzierung der Krise erforderlichen Kredite laufen praktisch zu einem Zinssatz von Null. Schratzenstaller: „Die neue Ver- schuldung bringt daher keine zusätzliche Zinsbelastung für die öffentlichen Haus- halte mit sich. Zur Beurteilung der Schul- dentragfähigkeit ist weniger das Verhältnis Schuldenstand zu BIP relevant als die Rela- tion von Wachstumsraten und Zinssätzen. Daher ist zentral, dass das Wachstum wie- der anspringt und dass die Zinssätze niedrig bleiben.“ Fazit:Versprochenes umsetzen Die Wirtschaftspolitik Österreichs erfolgt praktisch nach dem ökonomischen Lehr- buch. Das ist vielleicht nicht besonders in- novativ, die Kritik sollte sich aber mehr auf die konkrete Umsetzung konzentrieren – etwa auf die raschere Auszahlung verspro- chener Hilfsgelder. Es herrscht der Eindruck, dass die Po- litik eine „what ever it takes“-Strategie fährt, ohne Pläne für die Gegenfinan- zierung zu haben. Ist das nicht unpro- fessionell , wo doch schon von jedem KMU Visibilität erwartet wird? Die „koste es, was es wolle“-Soforthilfe- maßnahmen der Wirtschaftspolitik be- gleitend zu den gesundheitspolitischen Einschränkungen waren alternativlos, um das Vertrauen zu stabilisieren und die Gefahr von Masseninsolvenzen und Massenarbeitslosigkeit zu verringern. Angesichts fehlender Erfahrungen mit derartigen Krisen waren und sind das Ausmaß des wirtschaftlichen Einbruchs sowie der erforderlichen Hilfsmaß- nahmen schwer einschätzbar, sodass der Umfang der Soforthilfemaßnahmen so- wie ihre Ausgestaltung laufend ange- passt werden müssen und nicht von vornherein präzise festgelegt werden konnten. Gleichzeitig ist auch die Ge- genfinanzierung über zusätzliche Ver- schuldung alternativlos. Eine Erhöhung von Steuern oder die Senkung von Aus- gaben zur Gegenfinanzierung würden den Einbruch der Wirtschaft wiederum nur weiter verschärfen. Welche Risken könnte das Deficit Spending bergen? Österreich befindet sich in einer relativ günstigen budgetären Ausgangssituati- on. Außerdem ist auch in den nächsten Jahren eher mit einer Fortsetzung der Niedrigzinsphase zu rechnen. Die Ri- siken des Deficit Spending sind daher begrenzt, die zusätzliche Verschuldung gefährdet einstweilen nicht die fiska- lische Nachhaltigkeit der österreichi- schen Staatsfinanzen. INTERVIEW Margit Schratzenstaller- Altzinger, Ökonomin Wifo BIP-Prognosen für Österreich (2020) Corona hinterlässt tiefe Spuren: Unterschiedlichen Analysen zufolge wird das BIP in Österreich heuer zwischen fünf und zehn Prozent schrumpfen. Quelle: WKO 16.03. 0% -2% -4% -6% -8% -10% 17.03. 18.03. 18.03. 23.03. 25.03. 26.03. 26.03. 31.03. 06.04. 08.04. 14.04. 15.04. 15.04. 17.04. 21.04. 23.04. 05.05. 06.05. IHS; -1,5% IV; -1,7% IV; -2,5% IHS; -2% WIFO; -2,5% Bank Austria; -0,6% OeNB; -3,2% UniCredit; -9,1% IWF; -7,0% WIFO; -5,2% Economica; -7,6% EU; -5,5% Bank Austria; -10,0% IHS, IIASA, WIFO, WU; -6,0% Bank Austria; -9,0% Juni 2020 – GELD-MAGAZIN . 19

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