GELD-Magazin, Mai 2020
Credit: beigestellt 10 . GELD-MAGAZIN – Mai 2020 gazin durchaus heftige Kritik laut werden: „Zentrales Element des europäischen Daten- schutzes ist es, dass persönliche Daten nicht ohne ausreichenden Grund verwendet wer- den dürfen. Wichtig ist es dabei, sowohl die Methode, als auch die Zielsetzung der Da- tenverwendung zu spezifizieren, das pas- siert allerdings in Österreich in Zusammen- hang mit Corona nicht.“ „Regierung im Blindflug“ Die Datenlage rund um die Pandemie be- zeichnete der Experte in Österreich als „sehr schlecht; hier von Big Data zu spre- chen, ist ein Hohn. Vielmehr handelt es sich um Little Data.“ Aus dieser Situation heraus einschneidende politische Handlungen ab- zuleiten, stößt Zeger sauer auf: „Die Regie- rung agiert im Blindflug. Bewegungsfrei- heit, Familienleben, Arbeitsrecht und Da- tenschutz sind ebenso Grundrechte wie die Gesundheit. In diese Grundrechte wurden tiefe Eingriffe vorgenommen, die aufgrund der schlechten Datenlage sowie der feh- lenden Transparenz bedenklich und unaus- gewogen erscheinen.“ Heftige Kritik äußert die ARGE DATEN auch an der „Stopp-Coro- na-App“ des Österreichischen Roten Kreuzes, sie sei schlichtweg nicht praxis- tauglich. Zeger dazu: „Wer diese App nutzt, riskiert, in den Verdachtskreis der Infi- zierten zu geraten, mit allen Konsequenzen der Bewegungsbeschränkung, zusätzlicher Tests, Isolation und Stigmatisierung. Er wird zum Risikoträger, obwohl die Wahr- scheinlichkeit - aufgrund der Mängel dieser App - bei 1:1000 liegt, tatsächlich mit einem Infizierten in Kontakt gewesen zu sein. Von der Wahrscheinlickeit der eigenen Infektion ganz zu schweigen.“ Am Rande der Demokratie Bedenklich erscheinen in diesem Zusam- menhang Aussagen von Antonella Mei- Pochtler, Beraterin von Kanzler Kurz, ge- genüber der Financial Times. Contact-Tra- cing-Apps (sie identifizieren, wann und wo sich Bürger über den Weg laufen) sollen „Teil der neuen Normalität“ werden. Die eu- ropäischen Staaten müssten sich laut Mei- Pochtler an Tools gewöhnen, die „am Rand des demokratischen Modells“ stehen. Späte- stens an diesem Punkt sollten die Alarmglo- cken aufschrillen. Die Einschränkung der Bürgerrechte und verschärfte Kontrolle in Zeiten von Ausnahmesituationen ist die eine Sache. Solche Maßnahmen aber zum Standard zu erheben, könnte uns sehr schnell über „den Rand des demokratischen Modells“ hinausbefördern. Demokratien ge- hen sehr oft nicht in lautem Getöse zugrun- de, sondern sterben langsam an innerer Aushöhlung. Corona darf dieser Entwick- lung keinen Vorschub leisten. WIRTSCHAFT . Demokratie und Datenschutz China: Totale Überwachung Die Menschenrechtslage in China war auch 2019 davon geprägt, dass die Behörden abweichende Meinungen systematisch und massiv unterdrü- ckten, urteilt Amnesty International. Das Justizwesen war weiterhin durch unfaire Prozesse sowie Folter und an- dere Misshandlungen in der Haft ge- kennzeichnet. China stuft außerdem Informationen über die massenhafte Anwendung der Todesstrafe nach wie vor als Staatsgeheimnis ein. Gegen Menschenrechtsaktivisten und unab- hängige Nichtregierungsorganisati- onen geht Peking rigide vor. In der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang und in den von Tibetern bewohnten Landesteilen war die Repression wei- terhin besonders stark und wurde un- ter dem Vorwand der Bekämpfung von „Separatismus“ oder „Terrorismus“ vorangetrieben. In Xinjiang wurden Uiguren, Kasachen und andere über- wiegend muslimische Bevölkerungs- gruppen Opfer weitreichender Über- wachung, willkürlicher Inhaftierung und Zwangsindoktrination. In diesem autoritären System fiel der Eingriff in Menschenrechte im Zuge der Corona- Pandemie natürlich besonders leicht. Facebook, Google & Co.: „Freund“ hört mit Nicht nur autoritäre Staaten bespitzeln ihre Bürger, wie praktisch, wenn die Überwa- chung auf freiwilliger Basis erfolgt. In harter Kritik stehen hier soziale Medien und Technologie-Konzerne. „Die allgegenwärtige Überwachung von Milliarden Men- schen durch Facebook und Google stellt eine beispiellose Gefahr für die Men- schenrechte dar.“ Zu diesem Schluss kommt Amnesty International und fordert den radikalen Umbau der Geschäftsmodelle der Tech-Giganten. Andere große Unter- nehmen wie Apple, Amazon und Microsoft verfügen laut der Menschnrechtsorgani- sation zwar in bestimmten Bereichen ebenfalls über erheblichen Einfluss, doch die von Facebook und Google kontrollierten Plattformen sind diejenigen, die für den menschlichen Austausch unverzichtbar geworden sind – sie sind die neuen Plätze des globalen öffentlichen Lebens. Die Erhebung und Auswertung persönlicher Da- ten in noch nie dagewesenen Ausmaß sei mit dem Recht auf Privatsphäre gänzlich unvereinbar. Da passt es ins Bild, dass Google und Apple jetzt gemeinsam Corona- Infizierte ausmachen wollen. Selbstverständlich unter Einhaltung des Datenschutzes. Wie Demokratien sterben Levitsky / Ziblatt. Verlag: DVA. 320 Seiten. ISBN: 978-3-421-04810-3
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