GELD-Magazin, April 2020

C rash! Anfang März stürzte der Öl- preis um 30 Prozent in die Tiefe, der massivste Tages-Einbruch seit dem Golfkrieg im Jahr 1991. Der Schock sitzt tief und kurzfristig ist keine deutliche Verbesserung in Sicht. Was sind die Ursa- chen für das Desaster? Corona und OPEC John Roe, Verantwortlicher für Multi-Asset- Funds bei Legal & General Investment Ma- nagement (LGIM), analysiert: „Der Kataly- sator war das Coronavirus, das die Nachfra- ge geschädigt hat, wobei der Ölpreis sehr empfindlich auf Änderungen des Über- schussangebots reagiert. Die Pandemie dürfte die Nachfrage auch einen Großteil des Jahres lang gedrückt halten, diese Dy- namik wird sich wahrscheinlich nicht än- dern.“ Die tiefergehende Ursache für den Preisrutsch liegt laut Roe und anderen Ex- perten aber anderswo: Russland hatte sich dazu entschieden, die Ölproduktion nicht zusammen mit der OPEC zu reduzieren. Saudi-Arabien sah das wiederum als Grund, um einen neuen Ölpreiskampf zu starten. Tobias Tretter, geschäftsführender Gesell- schafter von Commodity Capital, beleuchtet den Hintergrund: „Sofern man einigen ver- lässlichen Quellen in Russland Glauben schenken mag, war Russlands Schachzug von langer Hand geplant, um sich des lä- stigen Schiefergases aus Amerika zu entle- digen, das deutlich höhere Ölpreise benöti- gt, um profitabel zu sein.“ Das „große Sterben“ Wobei insbesondere in der aktuellen Coro- navirus-Krise ein extrem niedriger Preis die amerikanische Schieferölproduktion beson- ders hart trifft, da sie in den vergangenen Jahren in Antizipation höherer Ölpreise teure Bohrprogramme mit High Yield-Kre- diten finanzierte. Tretter: „Kredite, die an- gesichts der aktuellen Ölpreise kaum zu- rückbezahlt werden können. Wir erwarten daher ein massives Sterben der amerika- nischen Schieferölunternehmen und einen deutlichen Rückgang der US-Produktion in den kommenden 12 bis 24 Monaten.“ Das dürfte laut dem Experten dann auch die Zeit sein, wenn Saudi-Arabien und Russ- land ihrerseits bereit sein werden, die Pro- duktion wieder zu drosseln und die Ölpreise deutlich ansteigen zu lassen. Auch Benja- min Louvet, Fondsprofi bei OFI Asset Ma- nagement, wirft einen Blick auf das wirt- schaftspolitische Ränkespiel: „Der Zusam- menbruch des Ölpereises wurde durch die historischen Meinungsverschiedenheiten zwischen Saudi-Arabien und Russland aus- gelöst, denen es nicht gelang, eine Einigung über die Reduzierung der Ölproduktion zu MÄRKTE & FONDS . Rohölmärkte Fass ohne Boden? Wirtschaftsabschwung wegen Corona, heftige Streitereien innerhalb der OPEC und der Vormarsch alternativer Energieträger setzen den Ölpreis heftig unter Druck. Ganz sollte man das Schmiermittel der Weltwirtschaft aber nicht abschreiben. HARALD KOLERUS Anzahl US-Ölbohranlagen (Baker Hughes US Oil Rig Count) Was die Angebotssituation am Erdölmarkt lange Zeit befeuert hat, war die Produktion in den Vereinigten Staaten. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Anzahl der Förderanlagen in den USA nunmehr verringert, das „große Sterben“ könnte allerdings erst kommen. „Der Katalysator für den massiven Preisverfall am Erdölmarkt war das Coronavirus, das die Nachfrage stark geschädigt hat.“ John Roe, Head of Multi-Asset-Funds bei Legal & General Investment Management Quelle: TradingEconomics.com/Baker Hughes 2016 2015 2017 2019 2018 2020 800 600 400 200 1.000 54 . GELD-MAGAZIN – April 2020

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