GELD-Magazin, März 2020
Mit Rekordabsätzen ins Minenfeld der Nachhaltigkeit 2019 verdoppelte sich das Volumen nachhaltiger Investmentfonds in Österreich. Auch 2020 wird der Aktienfonds damit (endlich) ein attraktives Thema. Ist damit alles eitel Wonne für Vertriebe? Die Investmentindustrie hat endlich ein Thema, das Kunden positiv für Investmentfonds stimmt. Und das, ohne dass es eine offensichtliche Blase – wie bei den berüchtigtenDotcom-Fonds imJahr 2000–gibt, denn nachhaltige Investmentfonds kommen in allen Risiko- klassen. Die VÖIG vermeldet Rekordabsätze bei nach- haltigen Investmentfonds und der Trend geht weiter: Konferenzen zumThema füllen die Veranstaltungska- lender und die Anzahl der neuen (oder restrukturier- ten) nachhaltigen Fonds wird rasch unüberschaubar. Alles gute Nachrichten für Produzenten und Ver- triebe also? Ja, aber nur für jene, die sich die Mühe nehmen, ihre Hausaufgaben ganz genau und sorg- fältig zu erledigen. Nachhaltigkeit ist ESG Denn Nachhaltigkeit ist (jedenfalls aktuell noch) ein schwammiger Begriff und das bringt das Risiko un- zufriedener Kunden und – im Extremfall – von Haf- tungen mit sich. Die Industrie hat sich in den letzten Jahren auf die Definition von Nachhaltigkeit als „ESG“, also Umwelt, Soziales und gute Unterneh- mensführung, geeinigt. Unternehmen, deren Aktivi- täten ESG-Kriterien genügen, gelten damit als nach- haltig. Und wenn man Wertpapiere dieser Unterneh- men in einem Fonds zusammenfasst, ist der Fonds damit nachhaltig. Aber hinter dieser scheinbar ein- fachen Logik steckt eine Unmenge komplexer und derzeit noch ungelöster Fragen. Die öffentlichkeitswirksamsten Fragen betreffen die Definition von umweltfreundlichen Aktivitäten. Die Frage, ob Atomkraft „nachhaltig“ ist, wird derzeit hinter verschlossenen Türen im Trilog in Brüssel dis- kutiert und hält den Beschluss der Taxonomie auf. Aber die Liste der umstrittenen Aktivitäten ist weit- aus länger: An der BoKu wurde jüngst Hefe zum Kampf gegen den Klimawandel so umprogrammiert, dass sie CO 2 zur Energieproduktion verwendet. Sind solche gentechnisch manipulierten Organis- men damit nachhaltig? Die Liste lässt sich beliebig verlängern: Was ist mit Tabak oder Alkohol? Und da- mit haben wir noch nicht das Minenfeld der sozialen Kriterien oder der Governance betreten. Was ist zum Beispiel mit „Grünen Anleihen“ von in Korruptions- vorwürfe verwickelten Unternehmen? Alle diese Fragen bewegen sich noch im Vorfeld der Berechnung für ein gesamtes Portfolio. Muss jede Aktivität jedes Unternehmens im Portfolio nachhaltig sein? Kann ich einen Durchschnitt bilden und gleicht sehr viel Umweltschutz ein wenig Korruption aus? MiFID II Die Problematik wird spätestens dann akut werden, wenn – in der geplanten Novellierung der Del.RL zu MiFID II – die Nachhaltigkeitsneigung der Kunden als Kriterium in die Eignungsprüfung kommt. Für Kriterien wie das Risiko gibt es ganz klare Maßstä- be: Die CESR (jetzt ESMA) Guidelines CESR/10- 673 definieren es als die durchschnittliche annuali- sierte Volatilität über 5 Jahre mit einer mathema- tischen Formel. Eine Volatilität von 9,99 Prozent ist Risikokategorie 4, eine von 10,01 Prozent ist Kate- gorie 5. Genauso eine exakte Definition soll später einmal die Taxonomie liefern. Bis dahin tragen aber Produzenten und Vertriebe das Risiko, dass Kunden unter „nachhaltig“ etwas ganz anderes verstehen, als das was der Fonds tatsächlich liefert. Meine Empfehlung für meine Kunden lautet daher: nutzen Sie den Trend! Aber stellen Sie in ihrem Be- ratungsgespräch sehr klar, was genau der Kunde un- ter Nachhaltigkeit versteht, und was der Fonds, den Sie ihm empfehlen, in diesem Bereich genau leistet und dokumentieren Sie beides ausführlich. www.lessingadvisors.com GASTBEITRAG . Adam Lessing, Lessing Advisors Dr. Adam Lessing, Inhaber, Lessing Advisors FOTO: beigestellt Zur Person Adam Lessing hat mehr als dreißig Jahre Erfahrung im Investmentbereich. Nach Goldman Sachs und AXA IM war er Leiter Europavertrieb bei AVIVA Investors und zuletzt Leiter Zentral- und Osteuropa für Fidelity. Aktuell berät er Unternehmen zu Fragen des nachhaltigen Investments. Sein Buch über das Thema erscheint im März. Nachhaltig investieren gegen den Klimawandel Adam Lessing. Verlag: braumüller. März 2020 – GELD-MAGAZIN . 37
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