GELD-Magazin, März 2020
A mbitioniert – dieses Wort fällt häufig, wenn von den Nachhaltig- keitszielen der Europäischen Union die Rede ist: Immerhin soll bis 2050 Klimaneutralität erreicht werden, in Öster- reich will die türkis-grüne Regierung sogar schon 2040 soweit sein. Es stellt sich nur die Frage: Sind diese Pläne tatsächlich ambitio- niert oder doch viel eher unrealistisch? „Geldverbrennen“ mit Kohle Werfen wir dazu einen Blick auf einen be- sonders gescholtenen Brennstoff: Die Kohle. Sie bildet auch in der EU noch immer einen wesentlichen Faktor für die Wirtschaft und innerhalb der Primärenergieversorgung. Al- lerdings einen sehr umweltschädlichen und gleichzeitig unökonomischen. Denn vier von fünf Kohlekraftwerken in der EU arbei- ten unrentabel – diese These vertritt der in London ansässige Think Tank Carbon Tra- cker. Basis ist eine Studie, für die mit Hilfe der Daten von Netzbetreibern, EU und Bloomberg die Auslastung und Rentabilität aller 542 Kohlekraftwerke in der EU analy- siert wurde. Ergebnis: 79 Prozent der Anla- gen schreiben rote Zahlen; allein die deut- schen Stein- und Braunkohlekraftwerke sol- len 2019 bis zu 1,9 Milliarden Euro „ver- brannt“ haben. EU-weit werden die Verluste im vergangenen Jahr auf insgesamt 6,6 Mil- liarden Euro geschätzt, die dann wieder durch staatliche Subventionen aufgefangen werden müssen. Dabei sind die Folgeschä- den für die Umwelt noch gar nicht miteinge- rechnet. Die eigentliche Frage lautet somit also: Wie lange wollen und können wir uns fossile Brennstofe schon alleine aus rein ökologischen Überlegungen heraus über- haupt noch leisten? Klimawandel belastetWirtschaft Denn die Erderwärmung „killt“ nicht nur das Klima, sondern setzt auch der Ökono- mie schwer zu. Susana Penarrubia, Head of ESG-Integration bei DWS, meint dazu: „Wir erwarten, dass sich der Klimawandel nega- tiv auf die globale Wirtschaftsleistung aus- wirken wird, da sich die höheren Tempera- MÄRKTE & FONDS . Ökologie-Investments „Kohle machen“ ohne Kohle Fossile Brennstoffe werden aus Anlageportfolios und dem gesamten Wirtschaftsleben zunehmend verdrängt. Investoren sollten ihre Strategien nun dringend in Richtung Klimaneutralität anpassen. HARALD KOLERUS Credit: claudia Otte/stock.adobe.com DIE BESTEN ÖKOLOGIE-FONDS ISIN FONDSNAME VOLUMEN PERF. 1 J. 3 JAHRE 5 JAHRE TER FR0010524777 Lyxor New Energy UCITS ETF 327 Mio.€ 32,4% 49,5% 65,4% 0,60% DE000A0KEYM4 LBBW Global Warming 197 Mio.€ 22,3% 47,7% 62,3% 1,75% LU0301152442 OekoWorld Klima 163 Mio.€ 18,1% 43,8% 57,4% 2,42% AT0000705660 ERSTE WWF Stock Environment 311 Mio.€ 38,3% 58,2% 51,5% 1,76% LU0503631714 Pictet - Global Environmental Opportunities 2.586 Mio.€ 17,8% 29,0% 46,7% 2,01% Quelle: Lipper IM, alle Angaben auf Euro-Basis, gereiht absteigend nach 5-Jahres-Performance, Stichzeitpunkt: 27. Februar 2020 turen auf alle Industriezweige, von der Landwirtschaft bis zum verarbeitenden Ge- werbe, Einfluss nehmen werden.“ Das be- stätigen Studien, die speziell die Folgen für das reale Pro-Kopf-BIP in verschiedenen Ländern prognostizieren, sollten wir weiter- hin einen anhaltenden Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur, das heißt 0,04 Grad Celsius pro Jahr, sehen. Die Analysen rechnen mit erheblichen Produktionsver- lusten, die das reale PIB pro Kopf in den Jahren 2030, 2050 und 2100 um 0,8, Pro- zent. 2,5 Prozent bzw. 7,2 Prozent verrin- gern sollten. Noch nicht alles auf Schiene Deshalb heißt es umdenken und umlenken: So erfolgt etwa die globale Erdölnachfrage zu einem Gutteil aus dem Verkehrssektor. 27 Prozent machen Pkw und leichte Nutz- fahrzeuge aus, weitere rund 15 Prozent Luft- und Seefahrt. In diesem Zusammen- hang ist es interessant, dass der Güterver- kehr in den USA zu ca. 50 Prozent auf der Schiene stattfindet; in Europa sind es hinge- gen nur in etwa 18 Prozent (Österreich knapp 30 Prozent). Hier besteht für Europa, das sich gerne als Öko-Vorreiter präsentiert, also noch gehöriger Nachholbedarf gegen- über der Autofahrernation Amerika. Bei BNP Paribas geht man jedenfalls davon aus, dass sich bis zu 41 Prozent der weltweiten Erdölnachfrage leicht durch Erneuerbare Energien ersetzen lassen würden. Nicht zu- letzt, weil diese Energieformen immer tech- nisch ausgereifter, effizienter und preisgün- stiger werden. In der Untersuchung „Wells, Wires and Wheels“ ermittelte BNP Paribas den Energy Return on Capital Invested (EROCI). Betrachtet wird, welchen Energie- „Der Klimawandel wirkt sich negativ auf die weltweite Wirtschaftsleistung aus.“ Susana Penarrubia, ESG-Spezialistin bei DWS 34 . GELD-MAGAZIN – März 2020
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