GELD-Magazin, März 2020

Umstritten: EU-Anleihen Als EU-Anleihe (auch Eurobond, Euro- Staatsanleihe oder Unionsanleihe) wird eine bislang nicht realisierte, sehr kontrovers diskutierte Form von Staatsanleihen in der Europäischen Union bzw. der Eurozone bezeichnet. Hintergrund bildet die Schuldenkrise Griechenlands und anderer südlicher EU-Staaten, die eine harte Belastungs- probe für die gesamte Union darstell- te. Bei den EU-Anleihen würden die Mitgliedsstaaten gemeinsam Schul- den am Kapitalmarkt aufnehmen, die Mittel unter sich aufteilen sowie für die Rückzahlung und Zinsen die- ser Schulden haften. Befürworter erhoffen sich so eine Stärkung und gleichzeitige „Ausfallssicherung“. Kritik: „Gesunde“ Staaten würden für Länder mit weniger Haushaltsdis- ziplin zur Kassa gebeten werden. punkt gekommen, die Einlagensicherung anzugehen. Wann das der Fall sein könnte, vermag aber auchder Experte nicht zu sagen. Somit heißt es für die Umsetzung der Ein­ lagensicherung und der gesamten Banken­ union bis auf Weiteres: Bitte warten. Pro und Contra Schuldenunion Somit befindet man sich in guter Gesell­ schaft eines weiteren leidenschaftlich dis­ kutierten europäischen Projekts: Der Schul­ denunion. Die Befürworter verfolgen einen ähnlichen Gedankengang wie bei der Ban­ kenunion: Um einzelnen Mitgliedsstaaten die Kreditaufnahme zu erleichtern, sollen Euro-Anleihen ins Spiel kommen (siehe rechts), die gemeinschaftlich von der EU emittiert werden. Länder wie etwa Italien und Griechenland sollen sich somit gün­ stiger finanzieren können und durch den Rückhalt der gesamten Union weniger an­ greifbar werden. Die Gegenargumentation: Länder, die ihre „Hausaufgaben“ gut gelöst haben, zahlen mit ihrer hart erarbeiteten Bonität für „undisziplinierte“ Staaten, die hohe Verschuldung, Defizite usw. aufwei­ sen. Wir haben es hier wiederum mit einem gewissen Nord-Süd-Gefälle zu tun. Dazu ein paar Zahlen. Griechenland wies im dritten Quartal 2019 mit rund 178 Prozent des BIP die höchste Staatsschuldenquote innerhalb der EU auf. Am anderen Ende der Liste be­ findet sich Estland mit neun Prozent. Die EU-Länder sind im Durchschnitt mit rund 80 Prozent der Wirtschaftsleistung ver­ schuldet, die Mitglieder der Eurozone mit rund 86 Prozent. Österreich befindet sich mit ca. 70 Prozent im Mittelfeld. Gegner der Schuldenunion sprechen nun von deren „gefährlichen Anreizen“. So meint etwa Hermann Otto Solms, Finanzexperte und „Schatzmeister“ der FDP: „Unter dem Deck­ mantel der ,Solidarität‘ und ,Vertiefung‘ wird besonders von Frankreich sowohl über eine Neuausrichtung (Transfer- und Schul­ denunion, Anm.) nachgedacht, als auch darüber, die Kluft zwischen Nord- und Südeuropa zu schließen. Doch diese Neuaus­ richtung könnte Fehlanreize fur die Regie­ rungen und Banken bewirken. Eine Idee, die gefährlich ist.“ Sprich: Die Schuldenunion würde erst recht dazu führen, dass sich einer auf den anderen (die ärmeren auf die wohl­ habenderen Staaten) verlässt – Budgetdiszi­ plin und Strukturreformen Fehlanzeige. Disziplin gefordert Stattdessen müssten laut Solms und ande­ ren Politikern die Schulden der Mitglieds­ länder auf ein nachhaltiges Niveau gesenkt werden: „Dies gilt insbesondere für Staaten, die trotz Anpassungsprogramms nicht in der Lage sind, sich am Markt zu refinanzie­ ren.“ Angsichts der gegensätzlichen Stand­ punkte muss wohl das Fazit gezogen wer­ den, dass neben der Banken- auch die Schul­ denunion noch bis auf weiteres Zukunfts­ musik bleibt. Problematisch: Staatsverschuldungen in der EU Innerhalb der EU liegt Österreich bei der Staatsverschuldung auf Rang elf, ist also vergleichs- weise gut aufgestellt. Andere Länder haben die Problematik nicht ganz im Griff, weshalb neben einer Banken- auch eine Schuldenunion inklusive EU-Anleihen gefordert wird. Quelle: Statista im 3. Quartal 2019 in Relation zum Bruttoinlandsprodukt Griechenland 178,2% 137,3% 120,5% 102,3% 100,5% Italien Portugal Belgien Frankreich Österreich 71,1% 25% 50% 75% 100% 125% 150% 175% 200% 0% März 2020 – GELD-MAGAZIN . 19

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