GELD-Magazin, Februar 2020
„Morale Machine“ Vollautonomes Fahren wirft auch recht- liche und ethische Fragen auf, denn wie sollen die intelligenten Maschinen in Unfallsituationen reagieren? Um der Sache näherzukommen, wurde in der weltweiten Internet-Untersuchung „Mo- ral Machine“ folgende Situation kon- struiert: Die Bremsen eines Fahrzeugs versagen und die Befragten mussten entscheiden, ob drei ältere Menschen, die bei Rot über die Straße gehen, überfahren oder ob der Wagen direkt in eine Betonmauer gesteuert werden soll. Dies hätte die Gefährdung der In- sassen, darunter Kinder, als Konse- quenz. Wenig überraschendes Ergebnis: Die Mehrheit würde lieber Kinder verscho- nen als ältere Menschen. Nicht aber so in vielen asiatischen Ländern: Hier würde vermehrt den Pensionisten aus- gewichen werden, was mit dem kon- fuzianischen Respekt vor dem Alter erklärt wird. Vielleicht erscheint das ganze Beispiel aber doch etwas gekün- stelt, denn wie oft werden Fahrer (ob Mensch oder Maschine) tatsächlich mit einer solchen Situation konfrontiert? „Die größte technische Hürde für autonomes Fahren bildet der Stadtverkehr.“ Harald Proff, Partner bei Deloitte Die Zustimmung wächst Ene großangelegte Capgemini-Studie in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Schweden, den USA und China spricht so- gar von „einem hohen Maß an Optimismus und Begeisterung für das autonome Fah ren“. Der Anteil der Verbraucher, der sich in selbstfahrenden Autos fortbewegen möchte, wird sich demnach in den nächsten fünf Jahren von 25 auf 52 Prozent verdoppeln. Bis 2029 ziehen sogar 62 Prozent der Be- fragten ein selbstfahrendes Auto einem tra- ditionellen Fahrzeug vor. Selbst in der „Autofahrernation“ Deutschland liegt der Anteil in knapp zehn Jahren bei 61 Prozent. Interessant sind dabei auch die kulturellen Unterschiede: In China sprechen sich bis 2029 sogar 72 Prozent für autonomes Fa- hren aus. Neben den chinesischen Verbrau- chern sind Stadtbewohner und Millennials besonders aufgeschlossen. Die Studie gibt aber auch Aufschluss darüber, wie selbst- fahrende Autos unseren Alltag verändern könnten: So würden im globalen Durch- schnitt 56 Prozent der Konsumenten ihre Zeit im Auto mit verschiedenen Unterhal- tungsaktivitäten verbringen. Die Befragten erwarten zudem positive Effekte bei der Kraftstoffeffizienz, geringere CO 2 -Emis sionen und Zeitersparnis. Erwartungen, die beim Design von selbstfahrenden Autos be- rücksichtigt werden sollten. Aber wann werden die „intelligenten Boliden“ nun un- sere Straßen bevölkern? Keine Zukunftsmusik Proff glaubt, dass Teilbereiche des auto- nomen Fahrens bereits in ein bis zwei Jah- ren in größerem Umfang auf Autobahnen umgesetzt werden könnten. Etwa bei Bau- stellen, wo sich Fahrspuren verengen und das den Autolenkern eben automatisch er- leichtert werden könnte: „In drei bis vier Jahren halte ich dann auch prinzipiell auto- nomes Fahren auf der Autobahn flächen deckend für möglich. In der Stadt ist das natürlich schwieriger, hier liegt der Zeitho- rizont wohl bei fünf Jahren plus. Die größte technische Hürde für die Realisierung bleibt somit der dichte und komplexe innerstäd- tische Verkehr.“ Was auch bedeutet, dass nicht von einem Tag auf den anderen alle Autofahrer die Hände endgültig vom Lenk- rad lassen werden, es handelt sich vielmehr um einen evolutionären Prozess, der ein Mischsystem zulässt. So prognostiziert etwa eine Deloitte-Studie, dass in Deutschland 2035 jede dritte Fahrt autonom erfolgen wird. Der Begriff „Blechtrottel“ könnte dann eine neue Bedeutung erfahren. Abwartende, aber keine ablehnende Haltung zu selbstfahrenden Autos und Zügen in Österreich Vor allem Jüngere und Menschen mit höherer Ausbildung stehen autonomem Fahren überwie- gend positiv gegenüber. Ebenso steigt die Zustimmung im Regelfall, je intensiver man sich mit dem Thema auseinandersetzt. Quelle: Market Online Umfrage Bevölkerung sehr negativ 5 4 neutral 3 2 sehr positiv 1 -11 -25 -14 -4 -25 -9 -26 -16 -22 -14 -7 -7 29 23 11 42 36 14 40 34 14 59 16 11 36 36 18 36 41 14 15 bis 29 Jahre 30 bis 49 Jahre 50+ Jahre einfache Bildung höhere Bildung -50 -40 -30 -20 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Antworten in Prozent Februar 2020 – GELD-MAGAZIN . 17
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