GELD-Magazin, Dezember 2019 / Jänner 2020

Das Jahr neigt sich langsam dem Ende zu und hinterlässt ein von wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit geprägtes Umfeld wie lange nicht mehr. Was davon wird uns 2020 weiterhin begleiten? ANEEKA GUPTA: 2019 war definitv überra- schend ereignisreich! Zu Beginn des Jahres sah noch alles danach aus, als ob der Han- delskonflikt zwischen China und den USA langsam zu einem Ende kommen würde. Die Ende 2018 vereinbarte Feuerpause führte dazu, dass von Jänner bis März beinahe je- des Asset nur eine Richtung kannte – und das war nach oben. Die plötzliche Kehrtwende Trumps Ende April setzte anschließend jedoch eine Welle an Unsicherheit in Gang, die die Märkte wieder kräftig durcheinander wirbelte. Wir sahen Korrekturen an den Aktienmärkten, die Vo- latilität stieg sprunghaft an und Investoren strömten in Scharen in Anleihen. Gegen Mitte des Jahres erreichten wir dadurch einen Zustand, in dem ein Drittel der welt- weiten Schulden eine negative Verzinsung verzeichnete – und damit ein perfektes Um- feld für Gold. Nicht nur reguläre Investoren, sondern auch Zentralbanken investierten daher Rekordsummen in das Edelmetall. Obwohl wir derzeit wieder eine Ruhephase verzeichnen, werden die US-Handelskon- flikte meiner Ansicht nach auch 2020 der bestimmende Unsicherheitsfaktor bleiben und die Märkte weiter vor sich hertreiben. Durch die US-Präsidentschaftswahlen in 2020 und ein mögliches Amtsent- hebungsverfahren steht Donald Trump jedoch mit dem Rücken zur Wand. Haben die USA überhaupt weiterhin die Ober- hand im Kräftemessen mit China? Es ist wahr, die USA haben im Oktober eine Einigung im Teilabkommen verkündet und China ruderte mit dem Versuch zurück, wei- tere Zollsenkungen durchzuboxen. Das ließ die Märkte vermuten, dass Trump einen po- sitiven Ausgang erzwingen möchte, um den internen Druck auf seine Person abzubauen. Trump zog schlussendlich jedoch eine Linie und machte klar, dass er den Forderungen Chinas nicht nachkommen werde. Eher se- hen wir bereits, dass China beginnt, den US-Ansprüchen bei Schweinefleisch- und Sojaimporten gerecht zu werden. Auch wirt- schaftlich steht China schlechter da. Die letzten Zahlen sprechen von einem BIP- Wachstum von gerade einmal sechs Prozent und auch die Anlageinvestitionen, die Indus- trieproduktion und der Einzelhandel waren dieses Jahr relativ schwach. Auch die kurzfristige Inversion der Zinskurve war kein Zeichen für eine schwächelnde US-Wirtschaft im kom- menden Jahr, wie viele befürchteten? Im Oktober sahen wir etwas Panik in den Märkten, als neben dem US-Einkaufmana- gerindex des produzierenden Sektors auch jener für Dienstleistungen erstmals rückläu- fig war. Da Dienstleistungen über 70 Prozent 2019 war ein turbulentes Jahr für Anleger rund um den Globus. Das Wiederaufflammen der US-Handels­ konflikte drückte die Zinsen tief in den negativen Bereich und trieb die Zentralbanken wieder an den Rand des Möglichen. Aneeka Gupta verrät, was für 2020 zu erwarten ist. Moritz Schuh Die Zentralbanken alleine können die Welt nicht retten! EXPERTSTALK | Aneeka Gupta, WisdomTree der US-Wirtschaftsleistung ausmachen, schrillten bei vielen die Alarmglocken – es stieg die Angst, dass der Rückgang in der In- dustrie auch auf den Dienstleistungssektor übergreifen könnte. In der Zwischenzeit hat sich die Lage jedoch wieder stabilisiert. Be- züglich der Inversion der Zinskurve bin ich zum heutigen Zeitpunkt der Finanzgeschich- te etwas skeptisch. Sie ist definitiv ein sehr guter Frühindikator für Rezessionen, doch ich denke, dass die jahrelange lockere Geld- politik die Vorhersagezuverlässigkeit des Indikators abgeschwächt hat. Ein Ausnahmezustand, der sich auch am Dollar erkennen lässt. Trotz zunehmend expansiver Geldpoltik verliert er nicht an Stärke. Wie lässt sich das erklären? Obwohl die wirtschaftliche Lage gut ist, hat die amerikanische Zentralbank (Federal Re- serve, Fed) die Zinsen dieses Jahr dreimal gesenkt und der Dollar hat nicht anWert ver- loren. All das deutet darauf hin, dass die Trump-Regierung und die Märkte die Fed steuern und nicht umgekehrt. Der Dollar wird im gegenwärtigen Umfeld als das sicherste Investment im Währungs- segment angesehen. Zudem versucht China alles, um den Yuan abzuwerten und damit die Schäden der amerikanischen Einfuhrzöl- le abzuschwächen. Die EZB fährt wiederum eine noch expansivere Linie als die Fed, was den Euro schwächt. Doch wir glauben, dass in nicht allzu ferner Zeit der Punkt kommen wird, an dem das Wachstum der US-Schul- den das Wachstum der US-Wirtschaft überholen wird – und dann werden wir eine Abschwächung des Dollars sehen. „ Gegenwärtig werden die Zentralbanken von den Märkten gesteuert – und nicht umgekehrt! “ 56 | GELD-MAGAZIN – JÄNNER 2020

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