GELD-Magazin, Dezember 2019 / Jänner 2020

COMEBACK-CHANCEN DER SCHWELLENLÄNDER Zuversichtlich ist Molzar für die Emerging Markets: „Wir denken, dass hier die Chancen deutlich überwiegen. Viele Zentralbanken in Schwellenlän- dern hatten 2019 die Möglichkeit, die Zinsen aufgrund fallender Inflations­ raten zu senken. Diese Entwicklung sollte auch nächstes Jahr fortgeschrie- ben werden können. Gleichzeitig sehen wir das Risiko, dass in einer Region das Wachstum wirklich wegbrechen könnte, als äußerst gering an.“ Ein besonderer Vorteil sind attraktivere Risikoaufschlä- ge als in anderen Anleihensegmenten bei gleichzeitig hoher Liquidität im Staatsan- leihenbereich. Ein Segment der Schwel- lenländer-Anleihen hat es Molzar derzeit besonders angetan: „Als sehr attraktiv sehen wir den Emerging Markets Corpo- rate-Bereich. Hier sind die laufenden Er- träge bei gleichzeitig niedrigerem Zins­ änderungsrisiko und besserer Rating- struktur um einiges höher als bei den Staatsanleihen.“ Franz Schardax, Fondsmanager und Schwellenländer-Experte bei Späng- ler IQAM Invest, blickt ebenfalls zuver- sichtlich auf 2020: „Unter der Vorausset- zung einer Entspannung beim US-Han- delsstreit rechnen wir mit einer leichten Verbesserung beim globalen Wachstum, wovon die Länder mit hohem Anteil der verarbeitenden Industrie stärker profi- tieren würden“, und er ergänzt: „Einige große Emerging Markets, wie z.B. Türkei, Brasilien und Russland, sollten sich nach einem aufgrund länderspezifischer Faktoren schwachen Jahr 2019 im kom- menden Jahr wieder besser entwickeln. In diesem Szenario würde die Geldpolitik der großen Zentralbanken relativ unver- ändert bleiben und Kapital auf der Suche nach Rendite in die Emerging Markets fließen.“ Zu den attraktivsten Schwel- lenländern zählt Schardax: „Mittelfristig scheinen südostasiatische Länder wie die Philippinen oder Indonesien attrak- tiv, da sie solide Makrodaten aufweisen und trotzdem vergleichsweise hohe Ren- diten bieten. Aufgrund der relativ engen USD-Orientierung muss man bei Lokal- währungsinvestments allerdings das USD-Risiko im Auge behalten. Russland weist eine attraktive Kombination von sehr niedrigem Schuldenstand und rela- tiv hohen Renditen auf.“ Von der Lokal- währungsseite attraktiv erscheinen die Türkei, die Philippinen und Rumänien. „Für die Türkei sprechen die absolut ho- hen Zinsen bei fallender Inflation und sich erholendem Wachstum. Die Philip- pinen verzeichnen ebenfalls fallende In- flation und Zinsen. Bei Rumänien ist es hauptsächlich die Währungsbewertung und innerhalb der Region eher hohe Zin- sen. Aktuell kommt in Rumänien auch die politische Komponente hinzu (neue Regierung, Anm.)“, erläutert der Spezia- list abschließend. Wann wird beim Anleihenboom das Ende der Fahnen- stange erreicht? Durch die extrem starke Nachfrage von Notenbankseite, insbeson- dere das Quantitative Easing (QE) der EZB, werden die Renditen künstlich nach unten getrieben. Solange die EZB diese ultra-expansiven Kaufprogramme zurückfährt oder gar einstellt, ist keine nach- haltige Trendwende zu erwarten. Erst wenn die Konjunktur 2021 mehr Lebenszeichen gibt, könnte sich eine Trendwende einstellen. Welche geldpolitischen Szenarien er- scheinen für Sie in den USA und Europa für 2020 am plausibelsten? Bei der US-Federal Reserve sind noch ein bis zwei Zinssenkungen möglich – auf 1,25 bis 1,50 Prozent. Sie sieht das BIP- Wachstum robust und passt daher die Zinsen an, ohne einen Zinssenkungszyklus zu propagieren. Ganz anders die EZB, die seit September mehrere Instrumente einge- setzt hat, die auch 2020 das Rückgrat der Geldpolitik bilden. Da sind die gesunkenen Einlagenzinsen von -0,5 Prozent, die noch einmal zurückgenommen werden könnten, dann das seit 1. November wieder aufge- nommene Anleihenkaufprogramm und die langfristigen Liquiditätshilfen für Banken. Daran wird Christine Lagarde in den näch- sten zwölf Monaten nichts ändern. In welchen Anleihenmarktsegmenten sehen Sie jetzt noch die interessantesten Gewinnchancen? Selektiv Anleihen im High Yield-Bereich, bei Unternehmen mit Entschuldungspoten- zial und fundamental deutlich positiven Entwicklungen mit einem abgesicherten Geschäftsmodell, jedoch im eher kürzeren Durationsbereich sowie Euro-denominierte Hybridanleihen von Investment Grade- Emittenten mit stabiler Kredit-Qualität, die diese Anleihen emittieren, um ihr Rating abzusichern. Diese bieten weiterhin einen deutlichen Pick-up zu klassischen Seni- or Anleihen und die dahinter stehenden Unternehmen profitieren von dem wieder- belebten EZB-Kaufprogramm. Welche Segmente des Unternehmens­ anleihenmarktes erscheinen für Sie noch am günstigsten? Derzeit sehen wir den US-Dollar-Markt et- was attraktiver als den Euro-Markt. Im Bankanleihebereich sehen wir weiterhin AT1-Anleihen der fundamental stärksten Banken bzw. der sogenannten „National Champions“ als attraktiv an. Aufgrund des rückläufigen Primärmarkt­ angebotes erscheinen mittelfristig insbesondere die klassischen Senior Bank- anleihen (Senior preferred) interessant. Aufgrund von regulatorischen Vorgaben wer- den viele dieser Anleihen in den nächsten Jahren durch die Senior non preferred-An- leiheklasse ersetzt werden. INTERVIEW | Peter Brezinschek, Chefanalyst Raiffeisen Research MÄRKTE & FONDS | Ausblick 2020 – Anleihen CREDIT: beigestellt,Archiv 50 | GELD-MAGAZIN – JÄNNER 2020

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