GELD-Magazin, Dezember 2019 / Jänner 2020

D ie Anleihenmärkte haben eine seit den frühen 80er-Jahren laufende Aufwärtsbewegung hinter sich. Mit weit verbreiteten Negativ- renditen bei Staatsanleihen entwickelter Länder und Corporate Bonds guter Schuldner haben sie jedoch einen kri- tischen Punkt erreicht, dessen Über- schreitung den Markt zunehmend fragi- ler macht. Somit ist es nicht verwunder- lich, dass der 10-Jahres-Euribor-Swap­ satz seit seinem Tief von -0,39 Prozent am 16. August bis 26. November wieder um gut 44 Basispunkte angestiegen ist. Der Drei-Monats-Euribor verharrt knapp über dem Tief bei -0,40 Prozent, während auch die Renditen der Euro-Staatsanlei- hen wieder über ihren Tiefständen lie- gen. Nachdem selbst Anleihenkäufe der EZB von insgesamt 2,5 Billionen Euro nicht zur erwünschten Reflationierung der Wirtschaft geführt haben, will die neue EZB-Chefin Christine Lagarde in den kommenden Monaten die Strategie überprüfen, während die Fed wegen soli- der US-Konjunktur bereits eine Zinssen- kungspause einlegte. Peter Brezinschek, Chefanalyst bei Raiffeisen Research, geht davon aus, dass der dramatische Rendi- terutsch bis September 2019 einen vor- läufigen Höhepunkt in der negativen Renditeentwicklung von Staatsanleihen dargestellt hat. Zeitweise haben mehr als 16 Billionen Euro Volumen an öffentli- chen Anleihen negative nominelle Rendi- ten aufgewiesen. WO ES NOCH CHANCEN GIBT Michael Molzar, dessen anleihen­ orientierter Dachfonds „Allianz Invest Klassisch“ seit Jahresbeginn mit 11,9 Prozent im Plus liegt, geht davon aus, dass sich dieser Erfolg 2020 wohl schwer fortschreiben lässt. Trotzdem ist er für das kommende Jahr vorsichtig optimis­ tisch: „Ich denke, dass sich bei einer sta- bilisierenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und ohne weiterer Eskala­ tion des Handelskrieges oder anderer po- litischer Brandherde auch im Jahr 2020 eine Rendite im einstelligen Bereich erzie- len lässt.“ Aber es gibt auch Tabuzonen: „Vom Euro Core Staatsanleihenmarkt ra- ten wir ab. Hier sind nicht nur die lau- fenden Erträge bis Laufzeiten weit über 20 Jahre hinweg negativ, auch das Risiko von erheblichen Kursverlusten bei einem Anstieg der Renditen ist sehr hoch.“ Obwohl die Renditejagd auch den Corporate-Bereich erfasste und die Spreads 2019 deutlich nach unten drückte, ortet Molzar hier noch Chancen: „Im Corporate Bond-Bereich sehen wir noch einiges an Potenzial, vorausgesetzt der Annahme, dass das konjunkturelle Wachstum in 2020 ähnlich dem diesjäh- rigen entspricht. Vor allem die Unterneh- men in Europa haben sich hinsichtlich der Fundamentaldaten verbessert und die Verschuldung weiter abgebaut.“ Stefan Isaacs, Deputy Head of Fixed Interest für die Publikumsfonds von M&G, sieht hingegen bei langlaufenden US-Investment Grade-Corporate Bonds noch am meisten Value: „Der US-Corpo- CREDITS: beigestellt MÄRKTE & FONDS | Ausblick 2020 – Anleihen Nach der Fortsetzung der Anleihenhausse 2019 werden viele Fondsmanager und Analysten für 2020 schon etwas vorsichtiger und selektiver. Trotzdem bestehen bei Unternehmens- und Schwellenländer-Bonds noch immer interessante Gewinnchancen. Michael Kordovsky Selektive Chancen „Sehr attraktiv für das Jahr 2020 sehen wir den Emerging Market Corporate- Bereich.“ Michael Molzar; Allianz Invest „Russland weist eine attraktive Kombina- tion von sehr nied- rigen Schuldenstän- den und relativ ho- hen Renditen auf.“ Franz Schardax, Spängler IQAM Invest „ Von Euro Core Staats­ anleihen raten wir ab. Hier drohen erhebliche Kursverluste. “ Michael Molzar, Allianz Invest AUF UND AB AN DEN ANLEIHENMÄRKTEN Die Wende in der Zentralbank-Politik ließ Anleihenkurse 2019 wieder kräftig steigen. 48 | GELD-MAGAZIN – JÄNNER 2020 2% 3% 0% 1% -1% 4% 5% 6% 7% 2017 2016 2015 2018 2019 Lipper Anleihen Global Lipper Anleihen Europa

RkJQdWJsaXNoZXIy MzgxOTU=