GELD-Magazin, Dezember 2019 / Jänner 2020
Die Grenze zwischen Hype und Realität D ie Entscheidung von WeWork, seinen geplanten Börsengang abzusagen, wirft die interes- sante Frage auf, ob Unternehmen aus dem Technologiesektor erneut zu stark gehypt werden. Mark Hawtin’s wirft einen Blick auf verhinderte Börsengänge der jüngsten Zeit. Der gescheiterte Versuch von WeWork, eige- ne Aktien an die Börse zu bringen, ist ein be- deutender Sieg für den gesunden Menschen- verstand über den aktuellen Technologie-Hype. Vielleicht ist es auch ein Hinweis da- rauf, dass sich die Phase der irrational leichten Kapitalverfügbarkeit möglicherwei- se ihrem Ende zuneigt. Wir mahnen bereits seit einiger Zeit, dass der Versuch, ein Un- ternehmen, dessen Geschäftsmodell die ge- meinsame Nutzung von Büros ist und das nur einen geringen klar definierbaren tech- nologischen Nutzen bietet, mit einem Preis- schild von über 50 Milliarden USD zu verse- hen, praktisch nicht zu rechtfertigen ist. Wie bei vielen Hype-Zyklen sorgte die Un- terstützung durch sehr glaubwürdige Inves toren – Softbank, Jamie Dimon von JPMorgan sowie einige hochkarätige Investmentbanken – für eine Faszination für das Unternehmen, die den Versuch eines Börsengangs erst er- möglichte. Die gescheiterte Aktienplatzierung an der Börse kam für die Investmentbranche etwas unerwartet, sodass die Bewertung des Unternehmens binnen weniger Wochen von beachtlichen 60 bis 90 Milliarden USD auf unter 15 Milliarden USD sank. Wir schätzen die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen in absehbarer Zeit in eine Insolvenz schlittert, sehr viel höher ein, als dass es je wieder einen signifikanten Wert für Anleger erlangen wird.WeWork weist in seiner Bilanz Verbindlichkeiten in Höhe von 35 Mil- liarden USD für sehr langfristige, nicht über- tragbare Pachtverträge aus, denen auf der Aktivseite kurzfristige Mietverträge gegenü- berstehen, die nur geringe garantierte langfri- stige Umsatzströme bieten. KONJUNKTURELLE VERLANGSAMUNG Tatsächlich könnten leichte Anzeichen einer konjunkturellen Verlangsamung oder einer Rezession auf viele Start-ups in der Mieter- schaft katastrophale Auswirkungen haben – vergleichbar dem Selektionseffekt strenger Winter auf die Fauna. Nach unserer Einschät- zung sind die Aussichten in der Tat düster. Dies würde nicht nur die Investoren treffen, die in früheren Finanzierungsrunden über- höhte Preise bezahlt haben, sondern auch viele der 15.000 Beschäftigten, die sich Hoff- nungen gemacht hatten, durch dieses „Uni- corn“ ein Stück des neuen Reichtums zu er- gattern. Es ist nicht nur unwahrscheinlich, dass sie dieses Stück vom Kuchen jemals zu Gesicht bekommen werden, sondern viele von ihnen könnten durch die Verkleinerung und die Kostensenkungen, die unvermeidlich anstehen, auch ihren Job verlieren. BÖRSENGANG IST KEINE LÖSUNG Das Beispiel von WeWork verdeutlicht ein sehr viel größeres Problem – nämlich die Fra- ge, was am breiten IPO-Markt für hochkapi- talisierte Technologieunternehmen gesche- hen wird. Wir sind davon überzeugt, dass WeWork die Situation für Unternehmen, die den Schritt vom Privatmarkt an die öffentli- chen Märkte wagen, ganz wesentlich verän- dern wird. Börsen dulden normalerweise kei- ne verlustgenerierenden Unternehmen, da bei diesen die Risiken und der Hype überpro- portional hoch ausgeprägt sind. Die jüngs- ten Börsengänge von Uber und Lyft verdeutli- chen dies. Ihre Aktienkurse stehen bereits et- was unter Druck, da sich mittlerweile offenbar zeigt, dass ihr Geschäftsmodell zwar (zuge- geben) disruptiv ist, sie jedoch offensicht- lich nicht die richtige Formel für ein profita- bles Geschäftsmodell gefunden haben. Nach aktuellen Angaben produziert Uber einen Ver- lust von rund 1 Milliarde USD pro Quartal (der sich auf 4 Milliarden USD pro Jahr sum- miert) und das (irrationale) Kapital, das zur Aufrechterhaltung des Betriebs benötigt wird, ist gewaltig. DÜSTERE AUSSICHTEN Daher wurde es letzten Endes notwendig, die öffentlichen Märkte anzuzapfen. Ausge- hend vom Gartner Hype Cycle als Barome- ter für alle disruptiven Anlagethemen sind wir davon überzeugt, dass sich die extrem hohen Erwartungen zum Thema „Ridesharing“ be- reits auf der Talfahrt befinden. Das Geschäfts- modell weist vermutlich einen Haken auf, da 38 | GELD-MAGAZIN – JÄNNER 2020 ADVERTORIAL | GAM INVESTMENT MANAGEMENT | GARTNER HYPE CYCLE AM BEISPIEL VON AMAZON INC. Quelle:Gartner,Amazon Inc,per30Sept.2019
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