GELD-Magazin, Dezember 2019 / Jänner 2020
plante Steuer- und Tarifreform sollte frü- her und ambitionierter als geplant wirk- sam werden.“ KAMPF GEGEN KALTE PROGRESSION An erster Stelle steht für Sustala, so wie viele andere Experten, die Entlas tung des Faktors Arbeit, also die Sen- kung der hohen Steuer- und Sozialabga- benlast. „Die Tarifreform sollte am bes ten auch gleich mit der Bekämpfung der kalten Progression verbunden werden. In den Ländern, in denen diese abgeschafft worden ist, sind keine Nachteile aufgetre- ten und auch technisch gab es keine Pro- bleme.“ Aber warum ist eigentlich in wei- ten Teilen der Politik ein Automatismus gegen die kalte Progression so unbeliebt? Sustala: „Immerhin macht die kalte Pro- gression die Arbeit eines Finanzministers leichter, denn durch sie nimmt er immer wieder ein erhebliches ,Körberlgeld‘ ein. Außerdem ist die Präsentation einer ent- lastenden Steuerreform alle fünf Jahre im Wahlkampf marketingtechnisch hilf- reich.“ Die Argumentation, ein Automa- tismus würde den Gestaltungsspielraum für Strukturreformen einengen, will der Experte nicht gelten lassen: „Einen sol- chen Spielraum muss sich die Politik im- mer erarbeiten. Übrigens hat die kalte Progression ja in den vergangenen Jahr- zehnten auch wenig zu Strukturreformen beigetragen.“ Ein weiterer wesentlicher Reformschritt wäre eine Vereinfachung des heimischen Steuersystems: „Trans- ferleistungen, Förderungen, Frei- und Absetzbeträge müssen durchforstet und analysiert werden. Unter der Fragestel- lung: Sind sie noch zielgerichtet, wirken sie manchmal sogar gegeneinander, geht es nicht einfacher?“ FAZIT Unter Wirtschaftsexperten ist somit eine Entflechtung des unübersichtlichen Steuerwirrwarrs, sowie in erster Linie eine Entlastung des Faktors Arbeit in der Alpenrepublik praktisch unumstritten. Jetzt ist die Politik am Zug. Steuerreform | WIRTSCHAFT „Eine Tarifreform sollte am besten gleich mit der Be- kämpfung der kalten Progression verbun- den werden“ Lukas Sustala, Agenda Austria Wie könnte eine Ökologisierung des Steuersys tems aussehen? In puncto Ökolo- gisierung gibt es einiges zu tun. Zu- nächst müsste durchforstet werden, welche ökologisch schädlichen Subventionen und Steuer- begünstigungen derzeit bestehen und welche davon verzichtbar sind. Dann er- folgt die Entscheidung zur Einführung von neuen bzw. der Erhöhung existierender Umweltsteuern. Erhöhungen sollten nicht als großer Sprung, sondern schrittwei- se erfolgen und der Fokus dabei auf der Besteuerung von CO 2 liegen. Das Ganze immer in Abstimmung mit bereits beste- henden Umwelt- und Energiesteuern. Politiker schrecken allerdings vor der Einführung neuer Steuern oft zurück... Die Ökologisierung sollte grundsätzlich auf- kommensneutral gestaltet werden,denn bei einer Abgabenquote von 42 oder 43 Pro- zent in Österreich gibt es wenig Spielraum, noch etwas „draufzusetzen“. Es sollten also als Ausgleich andere Abgaben bzw. Steuern gesenkt werden, in den Bereichen, wo es eben zum Beispiel aus beschäftigungspo- litischen Gründen sinnvoll ist. So könnte man Unternehmen entlasten und etwa bei den Lohn-Nebenkosten ansetzen. Auch bei den unselbstständig Erwerbstätigen und vor allem den Geringverdienern könnten dann Abgaben auf Arbeit heruntergesetzt werden. Was wäre, abgesehen vom Öko-Thema, noch sinnvoll? Internationale Beispiele haben vorgezeigt, wie wichtig ein klares und transparent strukturiertes Steuersystem ist. Auch hier gibt es in Österreich noch einiges zu tun. | INTERVIEW Margit Schratzenstaller, Ökonomin Wifo DAS BRINGT 2020 DEM STEUERZAHLER Kurz vor der vergangenen Wahl beschloss der Nationalrat Teilbereiche der türkis-blauen Steuerreform. Einige Änderungen treten bereits ab 2020 in Kraft. Ein Auszug: » » Erhöhung der Kleinunternehmergrenze Kleinunternehmer sind erst umsatzsteuerpflichtig, wenn ihre Umsätze 35.000 Euro nicht übersteigen. Die Grenze lag bisher bei 30.000 Euro. » » Einfachere Pauschalierung für Kleinunternehmer Einnahmen-Ausgaben-Rechner, die unter die 35.000 Euro-Grenze fallen, können künftig ihre Betriebsausgaben komplett pauschalieren. Sozialversicherungsbeiträge und Gewinn- freibetrag sind zusätzlich absetzbar. Das Pauschale beträgt für Dienstleister 20 Prozent, für andere Branchen 45 Prozent. JÄNNER 2020 – GELD-MAGAZIN | 19
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