GELD-Magazin, Dezember 2019 / Jänner 2020
gehend noch weniger überwindbar als frühere Zäune. Und in der Außenpolitik hat Trump höchstens bestätigt, dass er keinen logischen Plan hat.“ BILLARDSPIEL AUSSENPOLITIK Apropos internationale Beziehungen: Hat eigentlich Europa den richtigen Um- gang mit Trump gefunden? Hier lohnt sich ein Schwenk zu dem Politikwissen- schafter Arnold Wolfer, er hat die inter- nationalen Beziehungen mit einem Bil- lardspiel verglichen. Filzmaier kommen- tiert: „Treffender wäre da nicht Karam- bol, sondern Snooker. Denn hier wird ja versucht, bei jeder Kugelbewegung ganz genau und vernünftig das Bild auf dem Tisch zu berechnen, das dann entsteht. So tickt die EU und das ist ja auch die seriöse Vorgangsweise. Doch wie spielt man mit jemand, der wie Trump einfach wild drauflosballert und sich an keine Regeln hält? Mit anderen Worten: Die EU hat keine besseren Alternativen gehabt, wenn man sich nicht Trumps Stil anpas- sen wollte und damit einen monumen- talen Handelskrieg ausgelöst hätte.“ Das „Drauflosballern“ Trumps hat ihm auch ein Impeachment eingebracht, Politolo- gen wie der US-Experte Josef Braml glau- ben aber, dass dieses sogar bei der Wie- derwahl helfen könnte. Denn auch der bisher ernsthafteste Gegenspieler, Joe Biden, wird im Zuge dieses Verfahrens heftig durch den Kakao gezogen. Weitere vier Jahre Trump im Weißen Haus wä- ren also keine Überraschung. Auch wenn das so manchem nicht gefällt. US-Wahljahr | BRENNPUNKT Wie wahrscheinlich ist die Wiederwahl Trumps aus heutiger Sicht? Natürlich ist es für eine Prognose schon mangels Kenntnis des demokratischen Kandidaten zu früh und die Ereignisse im Impeachmentverfahren eine unbekannte Variable. Doch Amtsinhaber werden in aller Regel wiedergewählt. Seit mehr als einem Jahrhundert war das nur anders, wenn eine Rezession herrschte. Der Spruch „It’s the economy, stupid!“ wurde nicht umsonst er- funden. Der Historiker Allan Lichtman hat seit 1980 alle Präsidentschaftswahlen richtig vorhergesagt, indem er nicht zuletzt soziale und wirtschaftliche Rahmenbedin- gungen als günstig oder ungünstig für die Amtsinhaberpartei eingestuft hat. Nach Licht- man gibt es einstweilen eindeutig zu wenige Faktoren, die Trump als Amtsinhaber gefähr- den, sein Auftreten hin oder her. Diejenigen aus der Wirtschaft, die Trump massiv unter- stützt haben, sind mit ihm sehr zufrieden. Wie können sich die Demokraten wappnen? Sie erscheinen derzeit etwas kopflos. Einer von Lichtmans nicht ökonomischen Faktoren ist ein wirklich charismatischer He- rausforderer, wie es Bill Clinton gegen George Bush senior 1992 war. Derzeit haben wir zwar mehr Kandidaten der Demokraten, als man aus der freien Erinnerung aufzäh- len kann, doch wer soll der Charismati- ker sein? Joe Biden ist es sicher nicht, und ob Bernie San- ders oder Elizabeth Warren – als in unserem Verständnis dekla- riert links stehend – breite Mehrheiten bilden können, ist fraglich. Jetzt hofft man auf Mi- chael Bloomberg und spekuliert neuerlich über Hillary Clinton, doch allein das zeigt ja schon das Dilemma, nicht den einen überzeugenden Kandidaten zu haben. Professor Peter Filzmaier, Politologe Donau-Universität Krems | INTERVIEW WAS HEISST IMPEACHMENT? Impeachment (Deutsch: Anklage oder Be- schuldigung) bedeutet, dass ein Vertre- ter der US-Regierung wegen Missbrauch, Fehlverhalten oder Vergehen im Amt durch die amerikanische Legislative angeklagt wird. Nicht nur der Präsident selbst kann betroffen sein, sondern zum Beispiel auch der Vizepräsident oder jeder andere Regie- rungsvertreter. Ursachen für die Einleitung eines Impeachment-Verfahrens könnten Hochverrat, Korruption oder allgemeine „schwerwiegende Verbrechen“ sein. Ein Impeachment wird vom Repräsentanten- haus eingeleitet und im Senat entschie- den. Bei einer Verurteilung wird festge- legt, ob die betreffende Person weiterhin ein öffentliches Amt bekleiden darf. Dafür bedarf es allerdings einer Zwei-Drittel- Mehrheitsentscheidung des Senats, was in der Realität unwahrscheinlich ist. Alle drei bisherigen Impeachments der US- Historie verliefen erfolglos. Vor Trump wurde zuletzt 1998 gegen Bill Clinton („Monica- Gate“) ein Impeachment angestrebt. Trump hat leicht lachen: Den Demokraten fehlt ein charismatischer Gegenkandidat JÄNNER 2020 – GELD-MAGAZIN | 13
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