GELD-Magazin, November 2019

bald spekulative Sekundärmärkte, auf denen diese Token gehandelt wurden. Dies rief wiederum Unternehmen auf den Plan, die sich fortan nur mehr auf den Investitionszweck der Token konzentrier- ten und damit die sogenannten Securi- ty Token schufen. Diese Token gewähr- leisten Investoren mit Wertpapieren ver- gleichbare Rechte und ermöglichen da- rüber hinaus eine viel spezifischere Aus- gestaltung. Mit Smart Contracts lassen sich etwa Transaktionslimits, Stimmrechte oder BRENNPUNKT | Blockchain 16 | GELD-MAGAZIN – November 2019 CREDIT: beigestellt Ulli Spankowski ist Chief Digital Officer der Börse Stutt- gart, ehemaliger Fintech-Gründer und Finanzmarktexper- te mit Erfahrung im Bereich Börsenhandel, Regulierung, Derivate, Blockchain und Kryptowährungen. Durch seine Arbeit bei der Stuttgarter Börse, Sowa Labs und der Europäischen Kommission konnte er Expertise im Bereich Predictive-Data Analyse, Blockchain und Kryp- towährungshandel aufbauen. Die Börse Stuttgart leistet Pionierarbeit in der Fusion traditioneller Marktplätze und der Blockchain-Tech- nologie. Bitte erzähle uns kurz, was für Projekte hier bereits fina- lisiert wurden bzw. was noch in der Pipeline steckt? Seit Jänner sind wir mit unserer BISON live: Die App macht den Han- del mit Kryptowährungen sehr einfach. Ende September ist zudem die Digital Exchange der Börse Stuttgart gestartet, der erste multila- terale Handelsplatz für digitale Vermögenswerte in Deutschland. Die treuhänderische Verwahrung der Krypto-Assets für die Nutzer über- nimmt bei beiden Angeboten ein Tochterunternehmen der Gruppe Börse Stuttgart. In Arbeit ist derzeit eine Plattform, die Unternehmen die Ausgabe von Token zur Finanzierung mit standardisierten und transparenten Prozessen ermöglichen soll. Dann steht unsere durch- gängige Infrastruktur für digitale Assets – von der Emission über den Handel bis zur Verwahrung. Welche Beweggründe gab es, diesen Schritt so früh zu wagen? Zum einen ist das Interesse an digitalen Assets groß, es wird von der Finanzindustrie aber noch nicht ausreichend bedient. Zum anderen verändert die Blockchain-Technologie historisch gewachsene Rollen und Prozesse an den Finanzmärkten. Hier wollen wir nicht abwarten, sondern als Vorreiter selbst Standards für einen neu entstehenden Markt setzen. Stichwort Tokenisierung – Kryptowährungen sind ja nur der Startschuss für die Digitalisierung von Assets. Wo führt die Reise hin? Token lassen sich flexibel mit Rechten und Gütern ausgestalten. Das bietet innovative Möglichkeiten zur Finanzierung – vom Start-up bis zum Konzern. Durch die Ausgabe von Token lassen sich sowohl ein Unter- nehmen als auch einzelne Projekte, Produkte oder Anlagen finanzieren. Zudem sprechen Token prinzi- piell eine weltweite Investorenbasis an, weil dank der Blockchain bisherige Hürden bei der Abwicklung entfal- len. Anleger können Token flexibel handeln, auch zu geringen Beträgen und in Bruchstücken. Wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen da- für stehen, werden bald in größerem Ausmaß tokenisierte Wertpapiere handelbar sein. Im Rennen um die Blockchain fürchtete man, dass traditionelle Institute mit den Fintechs nicht Schritt halten können. Welche Wett- bewerbsvorteile siehst du dennoch für Marktteilnehmer wie euch? Als etablierter Akteur verfügt die Gruppe Börse Stuttgart über umfas- sendes Know-how zu Technologie und Handelsmodellen. Gleichzeitig sind wir als Mittelständler schlank und flexibel genug, um neue Ge- schäftsfelder rasch zu erschließen. Filmproduktionen, Sportlerverträge, Streetwear und Kunstwerke – die Tokenisierung scheint alte Grenzen in den Märkten aufzu- lösen. Siehst du Potenzial in der „Tokenization of Everything“ oder eher Luftschlösser? Entscheidend ist für uns, was die Marktteilnehmer wollen.Wenn Unter- nehmen solche Rechte und Güter in Token abbilden und Anleger diese Token handeln möchten, sind wir in jedem Fall der richtige Ansprech- partner für die Umsetzung. Ulli Spankowski, CDO Börse Stuttgart | INTERVIEW automatische Dividenenzahlungen di- rekt in den Token codieren. Das eröff- net eine Vielzahl neuer Investmentmög- lichkeiten – so können individuelle In- vestoren beispielsweise Teile ihrer Divi- denden auf Sekundärmärkten verkaufen oder Broker Stimmrechte bündeln und auf internationalen Märkten veräußern. GRENZENLOSE MÖGLICHKEITEN Nur ein Bruchteil dessen spielt sich jedoch im klassischen Wertpapierbreich ab. Tokenisierung verspricht eine Welt, in der theoretisch jedes noch so illiquide Asset, von Immobilien über Kunstwerke bis zu Filmrechten, in einer Blockchain repräsentiert, gestückelt, gehandelt und aufbewahrt werden kann. Ähnlich wie in den frühen Tagen des Internets beginnen wir gegenwärtig erst zu verstehen, welche Ideen sich für eine Umsetzung am besten eignen. Doch was heute schon fest steht, ist, dass Tokeni- sierung das Potential besitzt, unser Ver- ständnis von Gütern und deren Wert in ein komplett neues Licht zu rücken.

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