GELD-Magazin, November 2019
D ie Brüder Christoph und Simon Jentzsch sind vermutlich den wenigsten in der traditionellen Finanzindustrie ein Begriff. Doch was die zwei Programmierer aus der kleinen Uni- versitätsstadt Mittweida in Mittelsach- sen ins Leben riefen, dürfte wohl der Startschuss für die größte Demokratisie- rung der Kapitalmärkte seit der Erfin- dung der Aktiengesellschaft im Jahr 1602 gewesen sein. THE DAO Als Antwort auf die technologiebe- stimmende Übermacht der Risikokapi- talgeber aus dem Silicon Valley grün- deten und programmierten sie gemein- sam mit ihrem Partner Stephan Tual 2016 den dezentral über die Ethereum- Blockchain organisierten Venture Fonds „The DAO“ – kurz für Decentralized Au- tonomous Organization – und ersetzten damit erstmals staatliche Gesetzgebung durch Codes. Kein Prospekt, keine Verträge, son- dern auschließlich Smart Contracts ga- rantierten die fraktionelle Anteilhabe an Investmenterträgen und Stimmrechten für die global verstreuten Anleger. Ra- send schnell entwickelte sich das Pro- jekt zur damals größten Crowdfunding- kampagne der Welt (mehr als 150 Mio. Euro in Ethereum), bis eine Sicherheits- lücke Hackern ermöglichte, Teile der ein- gesammelten Ethereum-Funds abzuzie- hen. Der Diebstahl wurde zwar von der Community durch einen sogenannten „Chain-Split“ gelöst, doch die SEC (ame- rikanische Börsenaufsichtsbehörde) gab sich damit nicht zufrieden. Nach einem Jahr regulatorischer Auslotung und un- ter Heranziehung des sogenannten „Ho- wey-Test“ gab man bekannt, dass es sich bei DAO-Tokens um eine Form von Se- curities handle und bereitete somit den CREDIT: beigestellt,kras99/stock.adobe.com BRENNPUNKT | Blockchain 14 | GELD-MAGAZIN – November 2019 Tokenisierung ist das neue Schlagwort der Finanzindustrie. Wertpapiere, Immobilien, Rohstoffe, Kunstwerke und sogar Markenrechte und Patente lassen sich potenziell in einer Blockchain verbriefen und handeln. Eine technologische Neuerung, die effizientere und gerechtere Kapitalmärkte schaffen wird. Moritz Schuh Verbriefte Vermögen TOKEN IST NICHT GLEICH TOKEN » » Payment-Token Dieser Tokentyp wird als Zahlungsmittel oder Wertaufbewahrungsmittel ohne weitere Funk- tion oder Verbindung zu Projekten angesehen und läuft auf einer eigenen Blockchain. Dazu zählen die ursprünglichen Kryptowährungen wie Bitcoin, Litecoin oder Dash. Sie sind pri- mär dafür entworfen, um Käufe, Verkäufe und andere Finanztransaktionen durchzuführen. » » Utility-Token Utility-Token sind Token, die ihren Inhabern Zugang zu Produkten, Services oder Plattformen von Unternehmen gewähren.Wie ihr Name schon sagt, sind sie ursprünglich zum Gebrauch – ähnlich eines Gutscheins – und nicht für Investitions- oder Handelszwecke bestimmt. » » Asset Backed- oder Security-Token Security-Token repräsentieren eine Form von Investment, etwa einen Anteil an einem Un- ternehmen, ein Stimmrecht oder eine andere Werteinheit. Sie können auch Anteile an ma- teriellen und nichtmateriellen Assets, wie Edelmetallen, Oldtimern oder Musik-Tantiemen, darstellen. Damit einher geht aber, dass die Ausgabe von Security-Token bestimmten regu- latorischen Vorgaben und Anlegerschutzbestimmungen entsprechen muss. » » Hybride Formen Zusätzlich gibt es hybride Formen der drei oben genannten Tokentypen. Stablecoins, etwa, sind zwar eine Form von Fiat-Währung besicherter Token, dienen aber nicht als Investitions-, sondern als Zahlungsmittel. Eine andere Sonderform sind sogenannte „non-fungible token“ (NFT), die ein einzigartiges digitales Sammlerstück repräsentieren. Ein Beispiel dafür sind CryptoKitties, die im Jahr 2017 die Ethereum-Blockchain an ihre Grenzen brachten. Herkömmliche Verbriefungen von Vermögens- werten wie Aktien, Anleihen, Grundbuchaus- züge oder auch Rechte auf Patente, Bilder, Filme, Musilkstücke etc. werden obsolet. Alles wird in Zukunft in Blockchains (Token) verwahrt und gehandelt werden.
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