GELD-Magazin, November 2019

Eine Situation, die sich auch hierzulande wiederfinden lässt, wobei sich die Öster­ reicher ganz besonders als „Aktien­ muffel“ erweisen. Woher stammt eigent­ lich diese Skepsis? Warum sich viele Privatanleger nicht mit Aktien angefreundet haben, hat mehrere Ursachen. Sie haben Angst vor Risiken wie Kursschwankungen – und tatsächlich gibt es ja am Aktienmarkt hohe kurzfristige Vo- latilitäten. Langfristig werden diese Risiken zwar geglättet, doch wird das von vielen Menschen nicht so wahrgenommen. Der An- lagehorizont sollte so gewählt werden, dass man kurzfristige Kursrücksetzer aushalten kann. Außerdem stellen sich vor allem Ak- tienneulingen Fragen wie: Sind die Börsen nicht bereits schon sehr stark gestiegen? Muss ich ausgerechnet jetzt investieren, wo doch die Schlagzeilen von Krisen wie dem Handelsstreit voll gefüllt sind? So wird die Skepsis gegenüber Aktien sicher nicht nur in Österreich genährt. Sind Aktien nicht tatsächlich schon zu hoch gestiegen und sehen wir jetzt einen günstigen oder doch nicht gerade idealen Einstiegszeitpunkt? Die Börsen haben sich zuletzt wieder gut entwickelt. Tatsächlich müssten sie aber noch deutlich höher notieren, wenn man die fallenden Zinsen berücksichtigt. Dieses Zins- szenario spiegelt sich in den Kursen aber praktisch nicht wider. Auch hat sich das KGV in den vergangenen Jahren kaum nach oben bewegt. Alles in allem sehe ich also noch Aufholbedarf für die Aktienmärkte. Wobei es den besten oder günstigsten Einstiegs- zeitpunkt gar nicht gibt – Vermögensaufbau über Aktien und andere Anlagevehikel sollte langfristig und kontinuierlich erfolgen. Zu all dem Gesagten passen Total Return-Ansät- ze nicht schlecht, hier wird keine Benchmark verfolgt, sondern versucht, im Sinne des Ertrags-Risiko-Verhältnisses die richtige Ba- lance zu finden. Aber wenn alles darauf hinausläuft, dass mehr Aktien in den Depots landen werden, steigt doch automatisch auch das Risiko, oder nicht? Es gibt innerhalb eines gut diversifizierten Portfolios durchaus passende Möglich- keiten, die Risiken abzufedern und für Stabilität zu sorgen. Ein klassisches Instru- ment ist Cash, was derzeit aber bekanntlich eine negative Rendite einbringt. Viel besser eignen sich hingegen US-Staatsanleihen, die 2,2 Prozent über einen Zeitraum von 30 Jahren hinweg bieten. Das im Vergleich CREDIT: ivanashoots 10 | GELD-MAGAZIN – NOVEMBER 2019 zum europäischen Bonds-Umfeld sehr at- traktiv. Natürlich muss dabei ein gewisses Währungsrisiko in Kauf genommen werden, prinzipiell handelt es sich aber um einen „Risk off“-Trade. Eine ähnliche Funktion nimmt Gold ein, das trotz einer gewissen Schwankungsfreudigkeit als Inflationsschutz und sicherer Hafen dient. Interessant sind ebenfalls Immobilienaktien, die ein guter Di- versifikator sind und von sinkenden Zinsen profitieren. Außerdem schlägt die Mietrendi- te sogar den Ertrag von US-Staatsanleihen. Letztlich können auch Währungen wie Yen oder Franken als „Risk off“-Positionen ein- gesetzt werden. Nicht vergessen werden sollte, dass die Konjunkturentwicklung praktisch rund um den Globus abwärts gerichtet scheint. In den USA geistern etwa Rezessionsängste um. Was bedeutet das für Investoren? Zunächst glaube ich nicht an eine Rezes­ sion in den USA, sondern viel eher an eine Konjunkturdelle. Außerdem meine ich, dass die niedrigen Zinsen die Konjunktursorgen ausgleichen werden. Was die Aktienauswahl betrifft, lässt die nachlassende Konjunk- tur prinzipiell defensive Werte als Favoriten erscheinen. Man sollte aber auch nicht ganz auf Zykliker vergessen, die jetzt günsti- ger bewertet sind. Was uns zu großen An­ lageregionen führt, man sagt ja gerne: Europa steht für Dividenden, die USA für Wachstum – beide Aussagen sind sicher nicht falsch. Wirklich wahr ist aber, dass es immer auf die richtige Mischung ankommt. Auch bei den Sektoren gilt: Aktie ist nicht gleich Aktie. So sind produzierende Bran- chen natürlich stärker vom Handelsstreit tangiert als Dienstleister, die ja hauptsäch- lich vor Ort tätig sind und von den Zöllen weniger betroffen sind. Abschließend: Sehen Sie am Finanz­ markt irgendwo Blasen auftauchen? Ich erkenne weder im Aktien- noch im Im- mobilienbereich Spekulationsblasen. Man kann sich darüber unterhalten, ob sol- che vielleicht bei Anleihen ein Thema sein könnten. INTERVIEW | Klaus Kaldemorgen, DWS „Ich glaube nicht an eine Rezession in den USA“, meint Klaus Kaldemorgen. ZUR PERSON: Klaus Kaldemorgen wurde am 14. September 1953 in Essen geboren und studierte Volkswirtschaftslehre an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Bereits 1982 begann er seine Be- rufskarriere als Fondsmanager für globale Aktien und Renten bei DWS Investment. 1991 wurde er zum Leiter des Fondsmanage- ments für globale Aktien in Frankfurt ernannt. 2003 rückte er in die Geschäftsführung auf und wurde 2006 zum Global Head of Equities sowie zum Sprecher der Geschäftsführung der DWS ge- kürt. Von diesen beiden Positionen zog er sich Ende des Jah- res 2010 auf eigenen Wunsch zurück, um sich voll und ganz sei- ner großen Leidenschaft zu widmen: Dem Fondsmanagement. Derzeit ist der Anlageexperte Portfoliomanager des Total Return Fonds „DWS Concept Kaldemorgen“, einem milliardenschweren, global agierenden Mischfonds. Dass ein Fonds auch gleich den Namen seines Managers trägt, ist dabei ziemlich außergewöhn- lich und stellt den guten Ruf Kaldemorgens in der Branche unter Beweis. Er wird auch gerne als „Grandseigneur der Geldanlage“ und Star-Fondsmanager ohne Star-Allüren bezeichnet.

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