GELD-Magazin, Oktober 2019

ken auf einen Haufen fauler Kredite, Un- ternehmen und Haushalte mit riesigen Schuldenbergen und eine japanische Wirtschaft mit anämischem Wachstum, niedrigen Zinsen und Deflationsängsten zurückließ. Über Jahrzehnte charakteri- sierte das damals losgetretene „low- growth, low-inflation“ Umfeld die Wirt- schaft des Landes. THEORIE ZUR JAPANIFIZIERUNG Nicht nur Japans Regierung und Zentralbank, sondern auch Ökonomen weltweit stellte das „verlorene Jahr- zehnt“ vor ein Rätsel. Von zu wenig und zu späten geldpolitischen Eingriffen über zu großzügige und ineffiziente Fiskalpo- litik, bis zu verabsäumten Strukturre- formen reichten die Erklärungsversuche. Doch sie konnten am Ende allesamt kei- COVERSTORY | Rezessionsgefahr und Japanifizierung 8 | GELD-MAGAZIN – Oktober 2019 D er wirtschaftliche Untergang im Land der aufgehenden Sonne nahm seinen Ausgang Anfang der 1990er-Jahre. Nachdem das 1985 beschlossene Placa Accord-Übereinkom- men zur koordinierten Abwertung des Dollars den japanischen Yen in den da­ rauf folgenden Jahren um mehr als 51 Prozent zum Dollar an Wert gewinnen ließ, startete die Tokioter Regierung eine Reihe expansiver geldpolitischer Ein- griffe und fiskalpolitischer Stimuli, um die stark exportabhängige japanische Wirtschaft zu stützen. Die gut gemeinten Maßnahmen schossen jedoch schnell über ihr Ziel hinaus und verursachten eine hausgemachte Blase, wobei sich die Aktien- und Immobilienpreise zwischen 1985 und 1989 mehr als verdreifachten. 1991 folgte der jähe Einbruch, der Ban- nen wirksamen wirtschaftspolitischen Lösungsansatz liefern. Erst Jahre später beschrieb Richard Koo, Chefökonom des Tokioter Nomura Research Institute, mit seiner „Balance Sheet Recession-Theorie“, was heute als weitgehend anerkannte Erklärung für Japans früheres Dilemma gilt. Geht es nach Koo, so wurde das nicht an Fahrt gewinnen wollende Wachstum und die schwache Inflation niemals durch einen, mit ultralockerer Geldpolitik bekämpf- ten Mangel an Krediten, sondern ganz im Gegenteil durch eine fehlende Nachfrage nach selbigen verursacht. Das Platzen der Blase und der da- rauf folgende Einbruch der Immobilien­ preise um knapp 90 Prozent gefährdete die finanzielle Sicherheit von Millionen von Japanern. Jeder, der vor 1990 ei- nen Hypothekarkredit aufnahm oder Im- mobilien dazu verwendete, Kredite zu besichern, fand sich plötzlich in einem Schuldenüberhang mit Vor-Krisen-Ver- bindlichkeiten und Nach-Krisen-Asset- werten wieder. Die Haushalte begannen selbst im Umfeld von Nullzinsen eisern zu sparen – als Streben nach finanzieller Stabilität, das für Individuen und Un- ternehmen gesund, für die Gesamtwirt- Europas Situation beschwört seit Jahren Vergleiche mit der Wirtschaftsentwicklung in Japan in den Neun- zigerjahren herauf – die sog. Japanifizierung. Die steigenden Staatsverschuldungen, der große Berg an faulen Krediten, die ultralockere Geldpolitik und eine alternde Bevölkerung geben tatsächlich Anlass zur Sorge. Be- finden wir uns ebenfalls auf dem Weg nicht enden wollender Niedrigzinsen und wirtschaftlicher Stagnation? Moritz Schuh Langfristige Stagnation? Ähnlich wie in Japan nach dem Platzen der Blase Anfang der 1990er- Jahre, stagniert das BIP pro Kopf in Europa nach der Krise von 2008. „ Zentralbanken und Re- gierungen verstanden die Gefahr der schwindenden Kreditnehmer nicht. “ Richard Koo, Nomura Research Institut DAS BIP PRO KOPF STEIGT IN EUROPA SEIT 2008 NICHT MEHR Quelle: IMF,2019;WorldEconomicOutlook (April2019) Eurozone Japan USA Europäische Union in US-Dollar/Kopf 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 80.000 60.000 40.000 20.000 0

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