GELD-Magazin, Oktober 2019

tigkeit stimmt diese Behauptung nicht. Eines der Vorzeigeprojekte ist das Ös- terreichische Umweltzeichen; es zertifi- ziert ethisch orientierte Finanzprodukte, die Gewinne durch nachhaltige Investi- tionen erzielen. Damit wurde, wie inter- nationale Experten beteuern, auf euro- päischer Ebene ein hoher Standard ge- schaffen, da die Kriterien für die Verlei- hung sehr anspruchsvoll sind. Vielleicht sogar zu streng? Am Markt hört man, dass große ausländische Fondsgesellschaften an den Vorgaben scheitern und dann Österreich mit dem einen oder anderen Produkt gleich ganz links liegen lassen. Dazu befragte das GELD-Magazin Reinhard Friesenbich- ler, er beschäftigt sich seit 1996 mit dem Thema SRI, das von ihm gegründete Un- ternehmen rfu ist auf nachhaltiges In- vestment spezialisiert und erstellt Prüf- gutachten für das Österreichische Um- weltzeichen für Finanzprodukte. „Als das Umweltzeichen geschaffen wurde, war die Zielsetzung, ungefähr das beste Drit- tel der Produkte zu identifizieren. Es sol- len also nicht alle, sondern nur die be- sonders guten Nachhaltigkeits-Fonds ausgezeichnet werden. Auch besteht kei- ne Verpflichtung, dieses Label zu erwer- ben, ich sehe hier also keine Widersprü- che“, so der Experte. STRENGE PRÜFUNG Das Umweltzeichen selbst wird vom Lebensministerium in Kooperation mit dem VKI vergeben, zuvor muss das ent- sprechende Produkt ein Prüfverfahren durch eine von derzeit acht anerkannten unabhängigen Stellen bestehen (siehe www.umweltzeichen.at ). Der Prüfpro- zess, in dem Kriterien wie Transparenz- politik, nachhaltige Methodik und Aus- richtung etc. gecheckt werden, dauert laut Friesenbichler rund vier bis acht Wochen und muss alle vier Jahre er­ 16 | GELD-MAGAZIN – OKTOBER 2019 CREDIT: beigestellt/Ian Ehm Das Thema Nachhaltigkeit ist auch im Finanzsektor in aller Munde. Besteht hier vielleicht die Gefahr eines Hypes? Mit der Konsequenz, dass einige Marktteilnehmer bald wieder genug davon haben? Wir sehen derzeit eine Fokussierung auf den Klimawan- del. Das birgt die Gefahr in sich, dass andere wichtige Bereiche der Nachhaltigkeit vernachlässigt werden könnten, die im Schatten dieses Scheinwerferlichts stehen. Ich meine damit etwa andere wichtige Umwelt- aspekte, aber auch die gesamte soziale Dimension, die beispielsweise in den umfassenden Zielsetzungen der Sustainable Development Goals repräsentiert sind. Wenn es einen Hype geben sollte, so betrifft er also bei aller Bedeutung des Themas den Klimawandel.Wenn damit mehr Nachhaltigkeits-Bewusstsein ge- schaffen wird, ist das okay. Wenn damit hingegen auf Dauer einseitig gedacht und gehandelt wird, habe ich weniger Freude damit. Wenn am Finanzmarkt von Regulierungen die Rede ist, kommt schnell die Angst vor Überregulierung auf. Sehen Sie diese Gefahr, etwa in Bezug auf die Nachhaltigkeitsziele der EU? Ich würde nicht von Über-, aber vielleicht ein stückweit von Fehlregu­ lierung sprechen. Was derzeit auf EU-Ebene geplant ist, scheint zu Umwelt- und CO 2 -lastig zu sein. Beim derzeitigen Design sehe ich dieses Risiko, wobei man hinzufügen muss, dass die Bemühungen der EU auf diesem Gebiet noch am Anfang stehen. Den Königsweg bilden sicher jene Fortschritte, die sich ohne Regulierungen entwickeln. Können Sie Beispiele für den „unregulierten Weg“ nennen? Und wie gut ist der heimische Finanzmarkt auf Nachhaltigkeit eingestellt? Österreich kann ohne Zweifel auf seine Leistungen auf diesem Gebiet stolz sein, so praktizieren die heimischen Vorsorgekassen seit rund eineinhalb Jahrzehnten Nachhaltigkeit auf hohem Niveau, und das auf rein freiwilliger Basis. Das Österreichische Umweltzeichen für Finanzprodukte ist ebenfalls ohne Regulatorien entstanden und gilt als einer der strengsten Standards Europas. Ein weiteres gutes Beispiel bietet der heimische Nachhaltigkeitsindex VÖNIX, einer der weltweit ersten nationalen Nachhaltigkeits-Aktien­ indizes überhaupt. Oder die Entwicklung bei Green und Social Bonds. Die Wiener Börse hat dafür eine eigene Plattform geschaffen. Somit ist der österreichische Finanzmarkt in puncto Nachhaltigkeit sehr gut aufgestellt und genießt einen großen Vorsprung. Ich meine: Die Vor­ gaben aus Brüssel müssen uns hier keine Sorgen machen. Reinhard Friesenbichler, Nachhaltigkeits-Spezialist und Unternehmensberater | INTERVIEW neuert werden. Die Kosten beziffert er mit ca. 2000 bis 4000 Euro pro Fonds und Jahr, abhängig vom Aufwand der unter- suchten Produkte. Interessant ist, dass laut rfu nachhaltige Publikumsfonds in Österreich bereits einen Marktanteil von immerhin zehn Prozent und ein Volu- men von 8,2 Milliarden Euro aufweisen (Stand Ende 2018, gegenüber 2017 ein Plus von 9,4 Prozent). „Tendenz weiter stark steigend, nachhaltiges Anlegen ist sicher keine Nische mehr. Ich halte auf absehbare Zeit einen Marktanteil nach- haltiger Fonds von 20 oder 30 Prozent für durchaus realistisch“, so Friesenbichler. Zum Abschluss noch eine Zahl aus dem zitierten Bericht von Union Investment: Der entscheidende Impuls, sich künftig verstärkt mit Nachhaltigkeit zu beschäf- tigen, sind für 55 Prozent der heimischen institutionellen Investoren veränderte re- gulatorische Anforderungen. Eine Kerbe, in die der EU-Aktionsplan schlagen wird. BRENNPUNKT | Nachhaltigkeit & Finanzmarkt

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